„Müssen kaum noch missionieren“
Interview mit Dipl.-Ing. Heiko Hildebrandt, Geschäftsführender Gesellschafter der Next2Sun GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Hildebrandt, Next2Sun wurde 2015 gegründet. Welche Idee steckte dahinter?
Heiko Hildebrandt: Wir hatten bereits praktische Erfahrung in der Vermarktung von Biogasanlagen und haben konventionelle PV-Anlagen entwickelt. Aber wir haben erkannt, dass der Bedarf allein durch nach Süden orientierte Anlagen, die nur zur Mittagszeit Strom liefern, nicht gedeckt werden kann. Es gab bereits erste Ost-West-orientierte Anlagen mit zwei relativ flach liegenden Modulen. Unsere Idee war, sie steiler zu stellen, um auch morgens und abends eine Produktion zu erreichen. Das Ergebnis war eine ganz senkrecht stehende Anlage mit nur einem Bifascial-Modul. Wir hielten es für möglich, dass auf diese Weise ein wirtschaftliches Anlagenkonzept zu erreichen war, dass die Problematik der Einspeisespitze zur Mittagszeit löst. Noch mit unserem Vorläuferunternehmen haben wir dann eine kleine Testanlage mit 2 kW gebaut, die unsere Analysen bestätigte. So haben wir beschlossen, mit einem eigenständigen Unternehmen fortzufahren und eine Pilotanlage mit einer Leistung von 30 kW zu bauen. Sie hat uns vor Augen geführt, wie groß das Potenzial ist, denn die Daten waren noch besser, als wir erwartet hatten.
Wirtschaftsforum: Wie ging es dann weiter?
Heiko Hildebrandt: Zunächst haben wir viel Entwicklungsarbeit geleistet und auch ein Gestellsystem für diese Anlagen entwickelt. 2018 haben wir im Saarland ein Projekt mit einer Leistung von 2 MW realisiert, 2020 eines in Donaueschingen mit 4 MW. Für die Entwicklung unseres auch wirtschaftlich tragfähigen Konzepts wurden wir mit dem Deutschen Solarpreis 2020 ausgezeichnet. Auf die Anerkennung, dass wir etwas für die Branche geleistet haben, sind wir sehr stolz.
Wirtschaftsforum: Wo steht das Unternehmen jetzt?
Heiko Hildebrandt: Wir befinden uns in einer Wachstumsphase. Nachdem wir bisher viel im stillen Kämmerchen gearbeitet haben, geht es jetzt an das breite Rollout. Zurzeit beschäftigen wir zehn feste Mitarbeiter. 2021 werden wir Projekte in einer Größenordnung von 10 bis 15 MW realisieren. Für 2022 ist sicher noch eine Null dranzuhängen.
Wirtschaftsforum: Kommen wir noch einmal auf Ihr Konzept zurück. Welche Vorteile hat es konkret?
Heiko Hildebrandt: Auf der energiewirtschaftlichen Seite sind wir in der Lage, die Erzeugungsspitzen aller konventionellen PV-Anlagen auszugleichen, denn wir produzieren vor allem morgens und abends. Der Betreiber erzielt dadurch einen um etwa 10% höheren Preis als Betreiber konventioneller Anlagen. Einen ähnlichen Effekt erreichen wir dadurch, dass wir im Winter mehr produzieren als im Sommer. Ein zweiter Vorteil ist die mögliche Doppelnutzung von Flächen. 90% einer landwirtschaftlich genutzten Fläche ist neben der Photovoltaik weiterhin ohne Einschränkung möglich. Alternativ zur Landwirtschaft können die Flächen auch ökologisch zum Erhalt der Artenvielfalt genutzt werden.
Wirtschaftsforum: Müssen Sie mit Ihrem Konzept heute noch missionarisch unterwegs sein?
Heiko Hildebrandt: Das ist kaum noch notwendig. Ich denke, in der Branche kennt uns inzwischen jeder, und man versteht die Grundzüge unseres konzeptionellen Ansatzes. Und auch der Laie erkennt sofort, dass es nicht sinnvoll ist, den ganzen Strom mittags zu produzieren.
Wirtschaftsforum: Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach für den Erfolg von Next2Sun verantwortlich?
Heiko Hildebrandt: Ein wichtiger Punkt ist sicher, dass wir die Hauptprobleme der Branche anfassen, nämlich Akzeptanz und Flächenkonkurrenz, aber auch die energiewirtschaftlichen Probleme. Unsere Stärke ist, dass wir diese Aspekte miteinander verknüpfen. In der Politik gibt es Bestrebungen, bei Genehmigungsverfahren zu differenzieren zwischen konventionellen Anlagen und solchen wie unseren, was uns zugutekommen würde.
Wirtschaftsforum: Worin liegt Ihre persönliche Motivation?
Heiko Hildebrandt: Mein Ziel und zugleich der Antrieb für meine Arbeit ist, dass die Energiewende in Deutschland und Europa funktioniert. In diesem Zusammenhang sehen wir uns als gestaltende und unternehmerische Kraft. Damit sind wir eine Ausnahme, denn meiner Ansicht nach gibt es in der Energiebranche kaum echtes Unternehmertum, also Unternehmen, die bereit sind, Risiken und Unsicherheiten einzugehen.
Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie die Zukunftsperspektiven für Ihr Unternehmen?
Heiko Hildebrandt: Wir haben in Deutschland eine Photovoltaik-Nachfrage von 70 GW und einen aktuellen Anlagenstand von 50 GW. Mindestens weitere 50 GW werden allein auf Dächern oder anderen Flächen, die für unsere Anlagen nicht geeignet sind, dazu gebaut. Eigentlich dürften wir also darüber hinaus keine einzige konventionelle Anlage mehr bauen. Ich bin daher sicher, dass sich unser Konzept durchsetzen wird. Wir haben auch eine sehr interessante und vielseitig nutzbare Nebenanwendung entwickelt, den Solarzaun, der als Gartenbegrenzung oder großflächig als Weidezaun verwendet werden kann.