Bestimmen wo die Reise hingeht
Interview mit Dirk Scholand, Chief Sales Officer der tricontes360 GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Scholand, Sie sind einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern bei der tricontes360 GmbH. Wie sind Sie zu dem Unternehmen gekommen?
Dirk Scholand: Ich komme aus dem Bereich der Telekommunikation und habe Anfang der 1990er- Jahre E-Plus Mobilfunk mit aufgebaut. Bei AOL Time Warner war ich in der Geschäftsleitung für die Deutschen Servicecenter tätig. Mein Schwerpunkt und meine Leidenschaft ist die strategische Entwicklung von international agierenden Serviceorganisationen. Im Februar 2020 haben mein Partner, Klaus Gumpp, und ich die alte tricontes Gruppe mit 400 Mitarbeiter an fünf Standorten in ein neu gegründetes Unternehmen mit wesentlicher, mittelbarer Beteiligung von Ströer eingebracht. Die neu entstandene tricontes360 GmbH beschäftigt heute über 3.000 Mitarbeiter an 14 Standorten.
Wirtschaftsforum: Wie lässt sich Ihr Dienstleistungsportfolio heute beschreiben und wie integrieren Sie dabei das Thema Digitalisierung?
Dirk Scholand: Unser Dienstleistungsportfolio umfasst zunächst das Erbringen von Kundendialog-Dienstleistungen auf allen Kanälen 7/24/365. Diese Services erbringen wir an 11 Standorten in Deutschland und drei Standorten im europäischen Ausland entweder in unseren Centern, im work@home Modell oder komplett virtuell, in dem wir Mitarbeiter*Innen unabhängig vom Standort auf unsere Plattform nehmen. Zudem ist das Thema Digitalisierung und Automatisierung von ganzen Prozessketten eins unserer strategischen Geschäftsfelder.
Wirtschaftsforum: Die sogenannte Customer Journey wird immer wichtiger. Wo geht die Reise denn hin?
Dirk Scholand: Das Wichtigste ist die Erkenntnis, dass wir selbst jeden Tag Kunden sind. Wir organisieren unseren Alltag zunehmend digital und erleben diese Prozesse jeden Tag selbst. Das barrierefreie Wechseln von Kommunikationskanälen im so genannten Seamless-Handover Verfahren ist einer der Schlüssel zu intelligenten Customer Journeys. Unser Ziel ist es, den Kunden durch die digitale Welt zu begleiten und ihm bei Bedarf zur Seite zu stehen. Wir ermöglichen die intelligente Bearbeitung von Kundenanliegen mit dem Ziel, diese schnell, hochwertig und auch menschlich zu lösen.
Wirtschaftsforum: Was sind die Vorteile für den Kunden?
Dirk Scholand: Wir bringen die Technologie mit, um Prozesse smarter zu machen. So können wir z.B. die Interaktions-Qualität in Echtzeit messen und die Ergebnisse direkt in Optimierungsschleifen überführen – und das alles in Echtzeit. Führungskräfte und Trainer sind so in der Lage, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, vom Besten zu lernen und sich stetig weiterzuentwickeln.
Wirtschaftsforum: Wie hat die Coronakrise sich auf Ihre Branche ausgewirkt?
Dirk Scholand: Wir haben noch nie in so einer Zeit des Umbruchs gelebt. Unsere Industrie hat in Windeseile verstanden, dass es Lösungen braucht, die Arbeit abseits der großen Servicecenter strukturiert und qualitätsgesichert ablaufen zu lassen. Wie unsere Kunden so haben auch wir eine erhebliche Anzahl unserer Mitarbeiter in die operative Home-Office Umgebung gebracht und mussten für sie entsprechende Lösungen zur Sicherstellung des Home-Office Betriebs bereitstellen.
Wirtschaftsforum: Welche konkreten Beispiele gibt es?
Dirk Scholand: Aktuell betreiben wir die Impfhotline für das Land Berlin. Wir haben in vier Wochen 600 Mitarbeiter digital rekrutiert und digital ausgebildet. Das Ganze läuft seit Dezember komplett über unsere Plattform. Die Impfhotline ist eine der besten in Deutschland. Darauf sind wir sehr stolz.
Wirtschaftsforum: Glauben Sie, dass dies auch das Modell für die Zukunft bleiben wird?
Dirk Scholand: Die Situation wird sicherlich zu einem grundsätzlichen Umdenken führen. Warum soll ich immer nur um die Standorte herum rekrutieren, wenn die Mitarbeiter heute komplett remote arbeiten können? An der Stelle wird sich die Servicewelt zugunsten der Mitarbeiter sehr verändern. Zweitens müssen wir überlegen, wie wir in der Gesellschaft mit dieser Art von Tätigkeit umgehen. In der Pandemie ging es plötzlich um persönliche Kontaktvermeidung. Die Menschen brauchen jedoch Kommunikation und Kontakte. Die vielen Callcenter Mitarbeiter sind für uns die Helden der Arbeit, da sie in Zeiten von Gesellschaftlicher Isolation täglich tausendfach Verbindungen zwischen Menschen hergestellt haben. Allein deswegen ist es ein Berufsbild, das gestärkt gehört und vor allem auch aufgewertet werden muss.