Energie – persönlich, fair und von hier
Interview mit Siegfried Müller, Geschäftsführer der Stadtwerke Lippstadt GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Müller, was sind zurzeit die wichtigsten Produkte und Tätigkeitsbereiche der Stadtwerke Lippstadt?
Siegfried Müller: Bei uns geht es vor allem um Strom, Gas und Wasser und wir betreiben ein Schwimmbad. Darüber hinaus engagieren wir uns im Bereich der Elektromobilität und sind natürlich für Services und Störungen Ansprechpartner unserer Kunden.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Ihnen als Energieversorger?
Siegfried Müller: Wir bieten Grünstrom und Regionalstrom an sowie Ladestationen für E-Fahrzeuge. Alle wollen eigentlich grünen Strom, aber es gibt hier noch viele Probleme, zum Beispiel in der Gewinnung. Die Gemeinschaft würde gerne Windenergie forcieren, aber niemand möchte ein Windrad in seinem Umfeld. Aktuell, obwohl das Thema Klimawandel auf allen Ebenen diskutiert wird, haben wir nur 400 Grünstrom-Kunden. Wir werben immer wieder für grüne Energie, aber bislang bleibt der Zulauf hier noch aus. Auch an unseren 30 öffentlichen E-Ladesäulen ist der Andrang überschaubar.
Wirtschaftsforum: Wo sehen Sie die Stadtwerke Lippstadt am Markt, im Vergleich zu anderen Anbietern?
Siegfried Müller: Es gibt viele große Gas- und Stromwettbewerber. Deshalb expandieren wir bereits seit 2009, sind an verschiedenen Netz- und Energiegesellschaften beteiligt, unter anderem an der HochsauerlandEnergie, an den Gemeindewerken Bad Sassendorf, an der Wadersloh Energie und der Hellweg Energie. Über diese Tochtergesellschaften machen wir Energiemengen, die wir verlieren, wieder wett. In den letzten zwei Monaten allerdings hat sich der Energiemarkt total verändert. Der Marktdruck ist enorm und es findet eine deutliche Bereinigung statt, vor allem im Gasbereich. Manche Stadtwerke nehmen schon jetzt keine Neukunden mehr und E.ON hat vor einigen Wochen bereits zeitweise den Vertrieb eingestellt, da man die Preise im Grunde gar nicht mehr abschätzen kann. Kaum ein Gasanbieter kann noch unter 10 ct anbieten. Wir werden aber, wenn wir am 15.11. dieses Jahres unsere Preise für das nächste Jahr veröffentlichen, einen guten Preis anbieten können, obwohl auch bei uns in der Region der Gaspreis erheblich steigt.
Wirtschaftsforum: Was bedeutet diese Marktbereinigung für Ihr Unternehmen?
Siegfried Müller: Als Grundversorger haben wir sehr viele Kunden. Wenn wir heute Gas für 2022 beschaffen, dann kaufen wir natürlich nur Mengen, von denen wir glauben, dass wir sie auch vertreiben können. Viele Anbieter werden jetzt insolvent und wir als Grundversorger müssen einspringen. Das ist eine Herausforderung. Wir haben uns darauf vorbereitet. Letztendlich sind wir als Stadtwerke Lippstadt ein Teil dieser Region. Unser Herz schlägt für die Region und wir möchten dazu beitragen, die Lebensqualität vor Ort zu erhalten oder sogar zu steigern.
Wirtschaftsforum: Seit wann gibt es die Stadtwerke Lippstadt schon und was waren bis heute wichtige Entwicklungsschritte für das Unternehmen?
Siegfried Müller: Unsere Wurzeln reichen zurück bis in das Jahr 1863. Seitdem sind wir im Gas- und Wassersegment tätig. Bis heute wird unser Wasser ausschließlich aus Lippstädter Quellen gewonnen. Unser Stromgeschäft ist vergleichsweise jung. Hier sind wir seit 1995 aktiv. Wir haben im Zuge der Rekommunalisierung das Stromgeschäft von der ehemaligen VEW übernommen. Unser Schwimmbad ist 2013 in Betrieb gegangen. Seit 2009 expandieren wir kontinuierlich, haben uns an den bereits genannten Gesellschaften beteiligt. Diese Tochterunternehmen sind wichtig für die Konsolidierung unserer Marktposition und für weiteres Wachstum.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Kernthemen für das Jahr 2022?
Siegfried Müller: Unsere Kernaufgabe ist es, die aktuelle Marktsituation zu bewältigen und die Lage gut in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus sind wir im Bereich der erneuerbaren Energien in ganz Deutschland an Projekten beteiligt, zum Beispiel an der Energieallianz Bayern, über die wir wiederum Beteiligungen an vier Windparks halten. Wir planen, Solaranlagen zu kaufen und auch Windanlagen im Sauerland zu erwerben.
Wirtschaftsforum: Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie für die Stadtwerke Lippstadt?
Siegfried Müller: Wir sind und bleiben in erster Linie Netzbetreiber und Grundversorger. Es wäre natürlich schön, wenn wir weitere Kunden hinzugewinnen könnten, aber wir sind auch jetzt schon gut aufgestellt. Wir werden langfristig auf jeden Fall unseren eigenen Betrieb in allen Netzgebieten ausbauen – zurzeit ist ein Teil noch verpachtet – und die Digitalisierung vorantreiben. Es kommen spannende Jahre auf uns und auf die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft zu, denn die Energiewende ist nicht das, was an die Bevölkerung kommuniziert wird. Der Kohleausstieg 2030 wird schwierig, es gibt noch viele Hürden zu überwinden. Wir haben nicht nur zu wenig Windräder, sondern auch zu wenig Gas. Die Energiewende wird viel Geld kosten und die aktuelle Marktkrise belastet die Verbraucher zusätzlich. Hier kommt auf die neue Regierung eine große Aufgabe zu. Es wird höchste Zeit für eine ehrliche Kommunikation.