Mit Leidenschaft für Herz und Hirn

Interview mit Dr. Nicola Osypka, Vorstand der OSYPKA AG

Wirtschaftsforum: Ihr Vater hat das Unternehmen vor mehr als 40 Jahren gegründet. Wie kam es, dass er sein Leben der Medizintechnik gewidmet hat?

Nicola Osypka: Als Flüchtlingskind aus Schlesien ist er mit vielen Entbehrungen aufgewachsen. Trotzdem hat er es geschafft, zu promovieren. Sein Thema waren Elektrik-Unfälle und die Frage, welche Ströme dabei über das Herz fließen. Das war sein Einstieg in die patientenorientierte Elektrotechnik. Danach hat er in den USA an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, bei Prof. Earl Wood erlernen dürfen, was große und kleine Patienten brauchen. Zurück in Deutschland gründete er die OSYPKA Medizintechnik GmbH, die die ersten bruchsicheren Herzschrittmacher-Elektroden auf den Markt brachte. Es ging schon damals darum, Patientenleben zu retten und Therapien zu verbessern. Damit hatte sich Peter Osypka einen großen Namen gemacht. Als nächsten Meilenstein revolutionierte Peter Osypka die Elektrophysiologie, das heißt die Behandlung von Herzrhythmusstörungen die zu Tachykardien, also zu schnellem Herzschlag führen.

Mit Einführung der Hochfrequenzablation 1986, bei der über kathetergesteuerte Stromabgabe millimetergenau im Inneren des Herzens krankhafte Reizleitungen verödet werden, konnte zum ersten mal nachhaltig auch Medikamenten-resistente Herzrhythmus-Krankheiten geheilt werden. Seine Botschaft, was Innovationen angeht, war: Man muss nah am Patienten sein, wenn man ihm helfen will, und ‘out of the box’ denken.

Wirtschaftsforum: Als Tochter eines Vaters mit so viel Erfindergeist war Ihr Weg in das Unternehmen sicherlich vorgezeichnet?

Nicola Osypka: Überhaupt nicht. Ich bin zwar mit der Firma aufgewachsen, hatte aber zunächst ganz andere Interessen. Ich wollte wie Konrad Lorenz wissenschaftlich mit Tieren arbeiten. Mit 19 Jahren bin ich in die USA ausgewandert, habe dort Verhaltensbiologie studiert, mit Wölfen gelebt und schließlich in der Krebsforschung promoviert. 2005 fragte mein Vater, ob ich nicht doch in die Firma einsteigen wolle. Das tat ich dann. Vor acht Jahren konnten wir Achim Kitschmann überzeugen, nach vielen Jahren internationaler Erfahrung in der Medizintechnikbranche wieder zur OSYPKA AG als Vorstand zurückzukommen. Unsere Produkte haben eine besonders hohe Fertigungstiefe von über 98%, das heißt wir kaufen Rohmaterialien und fertigen, über viele Prozessschritte hinweg, filigrane Spezialprodukte und Implantate für die Medizintechnik. Wir haben viele Ingenieure und Fachkräfte, die auf diese Arbeiten spezialisiert sind. Wir sind in über 60 Ländern auf der Welt unterwegs und beliefern Krankenhäuser, Vertriebspartner und internationale Auftragskunden. Wir haben daher verschiedene Vorstandsaufgaben aufgeteilt und entscheiden bei strategischen Dingen zusammen. So ist es möglich, dass ich meinen Mann, Prof. Dr. med. Thorsten Lewalter, der das Internistische Klinikum München Süd und das Peter Osypka Herzzentrum leitet, auch noch etwas unterstützen kann.

Wirtschaftsforum: Was hat Ihr Vater Ihnen mitgegeben?

Nicola Osypka: Er ist der Treiber in der Familie und heute noch jeden Tag in der Firma. Er hat uns vier Kinder und seine elf Enkelkinder sehr inspiriert. Wir vier sind alle in der Medizintechnik gelandet. Unser Vater denkt immer erst einmal an Problemlösungen und nicht an Geld. Und er war und ist sich stets seiner ethischen Verantwortung bewusst. Daher hat er auch mit dem Geld vom Firmenverkauf 1996 eine gemeinnützige und mildtätige Stiftung gegründet, um Menschen in Not zu helfen. Drei Jahre später, 1999, mit 65 Jahren, hat er die Firmen wieder zurückgekauft, als der Übernahme-Konzern sie schließen wollte, um nur noch Patente und Marktzugänge zu nutzen. So konnten 200 Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze behalten. Inzwischen hat er alle seine Firmenanteile der Stiftung geschenkt, lebt seine christlichen Wertvorstellungen also sehr authentisch und rigoros vor. Von ihm weiß ich, dass man hart arbeiten und gute Ideen haben muss und dass das auf Kosten der privaten Interessen und der Freizeit geht. Mit dieser Ethik und Arbeitshaltung bin ich aufgewachsen. Und so werden auch unsere drei Kinder erzogen.

Wirtschaftsforum: All Ihre Produkte verbessern oder retten das Leben von Patienten. Gibt es dennoch eines, das Ihnen besonders wichtig ist?

Nicola Osypka: Ja, der Baby-Stent®. Er hilft Neugeborenen mit einer Gefäßfehlbildung. Das ist vergleichbar mit einem Herzfehler. Mein Vater löste das Problem durch einen minimalinvasiv eingesetzten Stent, der die Aorta aufweitet. Dadurch ist keine Brustkorb-Operation mehr nötig. Wir haben über die Jahre sehr viel Geld in Forschung und Entwicklung und sogar in eine erfolgreiche multi-zentrische Patienten-Studie investiert, da uns das Thema eine Herzensangelegenheit ist, die man mit monetären Gewinnen nicht aufwiegen kann. Aber auch wir müssen natürlich wirtschaftlich arbeiten und leider gibt es keine Unterstützung für solche Produkte ohne ‘Markt’. Selbst Fördermittel gibt es nur für nachweislich ‘lukrative’ Produkte.

Wirtschaftsforum: Fühlen Sie sich von der Politik alleingelassen?

Nicola Osypka: Wir reden sehr aktiv mit einigen Politikern, um darauf hinzuweisen, welche Folgen die Einführung der neuen Medizinprodukteverordnung für mittelständische Unternehmen und die Innovationskraft deutscher und europäischer Firmen haben wird.

Wir zeigen auch verschiedene Wege auf, einfache Möglichkeiten zu schaffen, schon jahrzehntelang bewährte Produkte, gerade auch für Kinder, in der Zulassung zu belassen. Kinder sind unsere Zukunft. Für ältere Menschen wird viel Geld ausgegeben, damit sie lange leben. Das ist wichtig und richtig, aber für Kinderpatienten wird sehr wenig getan und den Ärzten fehlen heute schon bestimmte Spezialprodukte. Wir hoffen, dass von EU-Seite konkrete Regelungen geschaffen werden, dass bewährte und neue Spezialprodukte kleinen und großen Patienten auch in Zukunft zur Verfügung stehen können.

Wirtschaftsforum: Mit all den Anforderungen für die Zukunft, nicht nur für Kinder-Produkte, dazu mit einem bundesweiten Fachkräftemangel – wie sichern Sie die Zukunft der OSYPKA AG?

Nicola Osypka: Wir haben vor sechs Jahren den Studiengang Medizintechnik an der Hochschule Offenburg ins Leben rufen können, und dort auch ein Forschungsinstitut gegründet. Wir haben am Standort Rheinfelden im Dreiländereck mit Frankreich und der Schweiz sehr viel zu bieten und können so auch Mitarbeiter aus anderen Regionen Deutschlands sowie aus dem Ausland gewinnen. Zudem sind wir in Europa ein einzigartiger Spezialanbieter in der Auftragsherstellung von Neurostimulatoren und den dazugehörenden Stimulations-Elektroden, quasi eine Weiterentwicklung der Herzstimulation an anderer Stelle im Körper. Wir sind auch Auftragsfertiger für namhafte deutsche und internationale Firmen für spezielle Kathetersysteme. Es gibt wenige Firmen, die das komplexe Knowhow von Entwicklung, Produktion, regulativen Anforderungen, klinischem Verständnis sowie Markteintrittswerkzeugen unter einem Dach vereinen. Dafür hat mein Vater alle Grundsteine gelegt, wir haben darauf aufgebaut und sehen daher zuversichtlich in die Zukunft. Mit Herz, Leidenschaft und Mut, und wenn Gott will, auch etwas Glück.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

„Unsere Kunden wissen, dass sie uns vertrauen können!“

Interview mit Ewgenija Endres, Geschäftsführerin der Pacura doc GmbH

„Unsere Kunden wissen, dass sie uns vertrauen können!“

Krankheit, Stellenwechsel und Urlaub sorgen häufig für personelle Engpässe in Kliniken und Praxen. Manchmal werden Ärzte auch nur für eine begrenzte Zeit gesucht. Abhilfe schafft die Pacura doc GmbH. Das…

Patientenorientierte Versorgung im ländlichen Raum

Interview mit Michael Hanke, Geschäftsführer der Krankenhaus Stockach GmbH

Patientenorientierte Versorgung im ländlichen Raum

Im ländlichen Raum Deutschlands hat die Krankenhaus Stockach GmbH eine besondere Stellung. Als eines der kleinsten Krankenhäuser des Landes hat es sich nicht nur durch seine patientenorientierte Versorgung einen Namen…

Die Krankenhausumdenker

Interview mit Herrn Dr. Axel Paeger Gründer und Gesellschafter der AMEOS Gruppe, Zürich

Die Krankenhausumdenker

Die wirtschaftliche Lage zahlreicher Krankenhäuser in Deutschland ist angespannt. Steigende Betriebskosten, akuter Personalmangel, unzureichende Finanzmittel durch Krankenkassen und die Einführung von Fallpauschalen setzen viele Häuser unter Druck. Die AMEOS Gruppe…

Spannendes aus der Region Landkreis Lörrach

„Einkaufen muss wieder zu einem  Erlebnis  werden!“

Interview mit Werner Gazdek, Geschäftsführer der Möbel-Schau-Norsingen GmbH & Co, Möbelvertriebs-KG

„Einkaufen muss wieder zu einem Erlebnis werden!“

Sein Unternehmen für die nächsten 50 Jahre fit zu machen, hat sich Werner Gazdek, Geschäftsführer der Möbel-Schau-Norsingen GmbH & Co, Möbelvertriebs-KG zum Ziel gesetzt und weiß dabei ganz genau, wie…

Zukunftsstrategien in der Laser- und Lichttechnik

Interview mit Thomas Buschmann, CEO Tobias Bürkle, Head of Sales und Christian Rees, Produktmanager der Z-LASER GmbH

Zukunftsstrategien in der Laser- und Lichttechnik

Die Z-LASER GmbH, gegründet 1985 in Freiburg, steht vor ihrem 40-jährigen Jubiläum und hat sich als Innovationsführer in der Lasertechnologie etabliert. Im Gespräch geben CEO Thomas Buschmann, Head of Sales…

Technologie mit besonderem Touch

Interview mit Anthony Hunckler, Abteilungsleiter Marketing und Design der Pyramid Computer GmbH

Technologie mit besonderem Touch

In vielen Bereichen können digitale Lösungen den Alltag erleichtern. Den Selfservice-Lösungen der Pyramid Computer GmbH begegnen die Menschen regelmäßig im täglichen Leben – beispielsweise in Restaurants. Die High-End-Industrie-Computer der IT-Experten…

Das könnte Sie auch interessieren

Alles für die Praxis

Interview mit Sharath Bhat, CEO und Matthias Neumeyer, Marketingleiter und Dr. Birger Kohlert, CFO von Wörner Medical

Alles für die Praxis

Das Leben der Kunden einfacher zu machen ist das Ziel von Wörner Medical in Reutlingen. Die global agierende Wörner Medical Gruppe bietet das Rundumpaket aus Verbrauchsprodukten für Praxen und Labore…

Das Hase-und-Igel-Prinzip

Interview mit Dr. Olaf Höbel, Director Service Unit Digitalization der Rottendorf Pharma GmbH

Das Hase-und-Igel-Prinzip

Ganzheitliche IT-Security Strategien sind ein entscheidender Baustein für den Erfolg eines Unternehmens. Die Rottendorf Pharma GmbH aus Ennigerloh hat das früh erkannt. Der Auftragshersteller und -entwickler sieht sich im ständigen…

Für reibungslose Abläufe im OP-Saal

Interview mit Hariet Dörling, Geschäftsführerin der M.E.D. Medical Products GmbH

Für reibungslose Abläufe im OP-Saal

Chirurgische Routineeingriffe wie Katarakt- oder Gelenkersatzoperationen ähneln zunehmend industriellen Abläufen, bei denen Effizienz und Konsistenz entscheidend sind. Die M.E.D. Medical Products GmbH hat sich darauf spezialisiert, Kliniken dabei zu unterstützen,…

TOP