Kunstrasenfasern für die ganze Welt

Interview mit Dr. Cornelia Röger-Göpfert, Managing Director der Morton Extrusionstechnik GmbH

Wirtschaftsforum: Frau Dr. Röger-Göpfert, die Morton Extrusionstechnik GmbH ist der europaweit führende Hersteller von Monofilamenten, die in den Folgeschritten zu Sportkunstrasen verarbeitet werden. Wie gelang der Sprung aus Absteinach zum globalen Hidden Champion?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert: Objektiv betrachtet sind die Randbedingungen für diesen durchgreifenden Erfolg gar nicht besonders günstig gewesen. Kunstrasenfasern lassen sich schließlich nicht ohne einen gewissen Energiebedarf herstellen, und die Energiekosten sind in Deutschland im internationalen Vergleich eben relativ hoch. Die meisten Wettbewerber produzieren ihre Kunstrasenfasern mit niedrigsten Energie- und Personalkosten in Nahost. Entscheidend ist für uns jedoch das über Jahrzehnte gewachsene Know-how der Firma Reimotec gewesen, mit der sich unser Unternehmensgründer Jürgen Morton ursprünglich im Engineering und der Installation der technischen Anlagen für die Produktion von Monofilamenten engagierte.

2008 entschloss sich das Ehepaar Morton zur Gründung der Morton Extrusionstechnik GmbH, mit der wir seitdem diese Monofilamente selbst entwickeln und herstellen, die anschließend im Rahmen unserer Integration in den Tarkett-Konzern zu fertigem Kunstrasen weiterverarbeitet werden – und dieser kommt wiederum in Stadien auf der ganzen Welt zum Einsatz.

Wirtschaftsforum: Wie funktionieren die wechselseitigen Synergien innerhalb des Tarkett-Konzerns?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert: Die Vorteile liegen für beide Parteien auf der Hand. Tarkett hat durch unsere Expertise Zugriff auf eine erstklassige Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie auf einen verlässlichen Partner, der beständig hochwertige Vorprodukte liefert. Auf der anderen Seite profitiert die Morton Extrusionstechnik von der Integration in eine größere In-House-Wertschöpfungskette.

Wirtschaftsforum: Am Anfang so ziemlich jeder Wertschöpfungskette für Kunstrasen steht jedoch Erdöl – und das ist sowohl ein endlicher als auch ein wenig nachhaltiger Rohstoff. Sieht sich Ihr Unternehmen hier bereits nach Alternativen um?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert: Wir haben in unserem Unternehmen einen eigenen Entwicklungsprozess für derartige Zukunftsthemen etabliert und stehen diesbezüglich auch in engem Austausch mit unseren Kunden. Zum erdölbasierten Rohmaterial Polyethylen, das als Ausgangsprodukt für unsere Monofilamente Verwendung findet, gibt es heute grundsätzlich zwei Alternativen. Zum einen könnte man auf einen biobasierten Rohstoff zurückgreifen, etwa auf zuckerrohrbasiertes Polyethylen. Aufgrund der möglichen Fehlanreize, zu denen eine deutlich ansteigende Nachfrage nach diesen nachhaltigeren Substanzen führen könnte – denken Sie hierzu etwa an die verheerenden Brände im brasilianischen Pantanal unter der Regierung Bolsonaro –, nehmen wir hiervon jedoch aktuell Abstand.

Wirtschaftsforum: Wie lautet dann die zweite Alternative?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert: Die andere Möglichkeit besteht sowohl im rohstofflichen als auch im mechanischen Recycling von Plastikmüll – und bei einer aktuellen Recyclingquote von höchstens 30% gibt es daran in Europa wahrlich keinen Mangel. Daher liegt einer unserer Schwerpunkte auf der Entwicklung eines Recycling-basierten Kunstrasens. Dabei verwenden wir verschiedene Plastikabfälle und Technologien für die Herstellung unserer hochwertigen Kunstrasenfasern. Auch schaffen wir es bereits über eine eigens dafür entwickelte Technologie, den alten ausgebauten Kunstrasen nach seinem Lebensende aufzubereiten und als Rohstoff für die Rückenbeschichtung des neuen Kunstrasen einzusetzen. Durch solche hochwertigen und zirkularen Recyclinglösungen kann zum einen auf die klimaschädliche Verbrennung von alten Kunstrasenfeldern verzichtet werden und zum anderen Erdöl für die Herstellung des neuen Kunstrasens eingespart werden. Erste Pilotfelder haben wir bereits in Deutschland und den Niederlanden installiert.

Wirtschaftsforum: Sie haben auch schon mit Rasenbelag ohne Gummi-Einstreugranulat und stattdessen mit gemahlenen Olivenkernen experimentiert. War das nur ein Proof of Concept oder hat diese Idee größeres Potenzial?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert: Um Kunstrasen auch ohne das Einstreuen von Gummigranulat installieren zu können, haben wir ein Produkt mit einer ganz anderen Architektur als herkömmlicher Kunstrasen entwickelt. Olivenkernschrot, eigentlich ein Abfallprodukt aus der Olivenverarbeitung, diente dazu, den Grip der Spieler zu erhöhen – ein Experiment, das sich absolut bewährt hat und für das wir in Europa bereits zahlreiche interessierte Partner finden konnten.

Wirtschaftsforum: Wie aufgeschlossen sind Ihre Partner aus dem Spitzensport allgemein für Veränderungen bei ihrem Kunstrasen?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert: Veränderungen, die notwendig sind, um die umwelttechnischen Eigenschaften eines Produktes zu ändern, stellen oft eine Herausforderung dar, da der Nutzer sich dadurch nicht unbedingt eine höhere Performance des Produktes verspricht. Wir haben in der Zusammenarbeit mit Vereinen aus dem Leistungssport diesbezüglich durchweg positive Erfahrungen gemacht. Die große Herausforderung besteht aus technischer Sicht bei der Entwicklung umweltfreundlicherer Produkte eher in den strengen Vorschriften der Sportverbände, die die Beschaffenheit der Spielflächen sehr detailliert normiert haben und die beispielsweise die Freiheit bei der Entwicklung von Recyclinglösungen noch einschränken. Unsere Kollegen aus der Qualitätssicherung können jedoch durchgehend ihre Einhaltung sicherstellen.

Wirtschaftsforum: Was wäre aus Ihrer Sicht eine geeignete Maßnahme, mit der man nachhaltigerem Kunstrasen zu einer breiteren Marktdurchdringung verhelfen könnte?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert: Die Entscheidung, wo welcher Kunstrasen eingesetzt wird, hängt in der Praxis stark von der Ausgestaltung öffentlicher Ausschreibungen ab – was bedeutet, dass die politischen Entscheidungsträger hier über bestimmte Steuerungsmöglichkeiten verfügen, derer sie sich ausgiebiger bedienen könnten. Erste Tendenzen hierzu erkennen wir bereits in Großstädten wie Hamburg oder Berlin. Wir würden uns jedoch freuen, wenn auch kleinere Kommunen mit ähnlichem Engagement sondieren würden.

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