„Die patientennahe Versorgung der Zukunft ist digital“

Interview mit Andreas Bogusch, Director der Medgate Deutschland GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Bogusch, seit mittlerweile 23 Jahren leistet Medgate Pionierarbeit in der Telemedizin – und damit deutlich länger, als es viele Kommunikationsformen, die dafür als unerlässlich gelten, überhaupt gibt!

Andreas Bogusch: Das stimmt. Ursprünglich stammt unser Unternehmen aus der Schweiz, wo die regulatorischen Voraussetzungen für unser Geschäftsmodell um die Jahrtausendwende bereits hinreichend gegeben waren. Denn bis zur Aufhebung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung im Jahr 2016 hätten wir unsere Dienstleistung in Deutschland gar nicht in dieser Form anbieten können. Dabei sind wir unseren Wurzeln als digitale Arztpraxis in unseren über zwei Jahrzehnten im Markt konsequent treu geblieben und sehen uns weiterhin vornehmlich als Leistungserbringer und nicht primär als Technologieanbieter, auch wenn wir selbstverständlich stets auf die neuesten Entwicklungen zugreifen, wenn wir überzeugt sind, sie für einen zielgerichteten Nutzengewinn bei unseren Patienten und Ärztinnen einsetzen zu können. In den ersten Jahren unserer Unternehmensgeschichte mussten wir uns noch mit einer Telefonhotline begnügen, was unserem medizinischen Personal bei der Anamnese ein besonderes Feingefühl abverlangte. Heute ist natürlich längst die Videosprechstunde das Mittel der Wahl geworden, während bei der Schweizer Version von Medgate über eine Chat-Funktion inzwischen auch Bilder eingereicht werden können.

Wirtschaftsforum: Das Angebot der Medgate Deutschland GmbH richtet sich bisher ausschließlich an den Kreis der Privatversicherten und Selbstzahlerinnen, womit Ihnen der Großteil der deutschen Patienten – die gesetzlich Versicherten – als Markt versperrt bleibt. Welche Breitenwirkung kann Medgate vor diesem Hintergrund überhaupt entfalten?

Andreas Bogusch: Es stimmt, dass wir unsere Leistungen angesichts der derzeitigen regulatorischen Rahmenbedingungen nicht mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können. Gleichzeitig gehen wir jedoch davon aus, dass sich auch die gesetzlichen Anforderungen an den langfristigen Versorgungsrealitäten und den Bedürfnissen der Patientinnen ausrichten müssen. Führt man sich in diesem Kontext vor Augen, dass in Deutschland in den nächsten Jahren circa 15.000 Arztkapazitäten fehlen werden und die verbleibenden Ärztinnen bereits jetzt mit ihrem fachlich wie persönlich fordernden Praxisalltag vollumfänglich ausgelastet sind, wird offensichtlich, dass für diese Problematik eine effektive, praktikable, sichere und patientennahe Lösung erforderlich ist – und hier können die Möglichkeiten der Telemedizin einen entscheidenden Beitrag leisten. Deshalb ist nun auch die Zeit gekommen, in der die aktuell im Markt aktiven Player bestehende Ressentiments bei den politischen und administrativen Entscheidungsträgern ausräumen müssen – denn die Branche steht insgesamt an einem Scheideweg, da sich manche Anbieter derzeit schon wieder aus dem Markt zurückziehen. Wenn dies an breiter Front geschieht, weil nicht rechtzeitig die richtigen regulatorischen Weichen gestellt wurden, wäre das eine unnötig vertane Chance für eine nachhaltige Modernisierung der patientennahen Versorgung und eine bleibende Entlastung des medizinischen Personals.

Wirtschaftsforum: Worin liegt dabei der konkrete Nutzengewinn von Medgate?

Andreas Bogusch: In der Schweiz konnte Medgate besonders nachdrücklich unter Beweis stellen, dass sich mit unserem Angebot eine verlässliche Steuerungsfunktion umsetzen lässt, bei der die Patienten auf niedrigschwelliger Ebene durch das Gesundheitssystem gelotst werden. Dabei kann ungefähr die Hälfte von ihnen von unseren Ärzten bereits abschließend behandelt werden, während in den anderen Fällen eine Überweisung an niedergelassene Kolleginnen oder andere Gesundheitsdienstleister erfolgt. Eine ähnliche Rolle spielt bei den gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland das Hausarztmodell, nur dass dieses für den Patienten kaum relevante Anreize bereithält. Medgate hingegen ist rund um die Uhr verfügbar und wird aufgrund der dadurch gewonnen Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit von den Betroffenen gerne in Anspruch genommen. Dank der damit einhergehenden Kostenersparnis sahen sich einige Anbieter privater Krankenversicherungen bereits in der Lage, die Versicherungsprämien bei Tarifen, die die Nutzung von Medgate für den Patienten verbindlich vorsehen, zu senken.

Wirtschaftsforum: Welche weiteren technologischen Möglichkeiten hält die Zukunft bereit?

Andreas Bogusch: Dank der KI wird sich das Tätigkeitsbild des Allgemeinmediziners oder der Internistin perspektivisch wandeln, ähnlich wie auch der Pilotin eines Flugzeugs vornehmlich eine sicherheitsrelevante überwachende Funktion zufällt. Möglicherweise kann die KI im Dialog zwischen Arzt und Patient bald wegweisende anamnestische Fragen vorschlagen, weitergehende Behandlungsoptionen anregen oder auf potenzielle schwerwiegende Gefahren hinweisen, die auch erfahrenen Ärzten bisweilen entgehen. So kann eine noch sicherere, angenehmere und erfolgversprechendere medizinische Behandlung erfolgen.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

Sicherheit und Qualität: FD Pharma setzt auf Europa

Interview mit Christian Sarnoch Geschäftsführer FD Pharma GmbH

Sicherheit und Qualität: FD Pharma setzt auf Europa

Weltweite Krisenherde, eine mehrjährige Pandemie und mittendrin der deutsche Arzneimittelmarkt, dessen Achillesferse inzwischen die Abhängigkeit von weit entfernten Produzenten ist. Kein Wunder, dass dies nun verstärkt innovative und flexible Player…

Präzision, Kontinuität und Leidenschaft

Interview mit Linus Diener, COO der Diener AG Precision Machining

Präzision, Kontinuität und Leidenschaft

Ein Familienunternehmen auf operativer Ebene zu übernehmen und langfristig in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, ist eine Herausforderung – erst recht, wenn man sich kurzfristig flexibel in eine solche Position…

Nerven auf dem Monitor

Interview mit Christian Hartmann, Geschäftsführer der Dr. Langer Medical GmbH

Nerven auf dem Monitor

Im Bereich Neuromonitoring ist die Dr. Langer Medical GmbH eine feste Größe. Für seine intuitiv bedienbaren Produkte wurde das Unternehmen aus Waldkirch im Schwarzwald mit verschiedenen Designpreisen ausgezeichnet. Die Übernahme…

Spannendes aus der Region Berlin

Analoge Seele – digitale Innovation

Interview mit Marcus Meya, Geschäftsführer der C. Bechstein Sales & Service GmbH

Analoge Seele – digitale Innovation

Die Klaviere und Flügel aus dem Hause C. Bechstein gelten weltweit als Spitzenprodukte, die durch hervorragende Handwerkskunst, klangliche Qualität und künstlerische Ausdruckskraft überzeugen. Sowohl Profis, Konzertsäle, Musikschulen aber auch Heimmusiker…

Garant für Wissenserhalt und Wissensaustausch

Interview mit Olaf Theuerkauf, Geschäftsführer der Kongress- und Kulturmanagement GmbH

Garant für Wissenserhalt und Wissensaustausch

Kongresse und Tagungen, Konferenzen und Seminare – kurzum Fachveranstaltungen – sind eine wichtige Grundlage für den Wissensaustausch und die wissenschaftlichen Diskussionen. Diese dynamischen Veranstaltungen spielen eine entscheidende Rolle in der…

Freche Freunde: Leckere Bioprodukte mit Obst und Gemüse

Interview mit Caspar Hoffmann, Geschäftsführer der erdbär GmbH

Freche Freunde: Leckere Bioprodukte mit Obst und Gemüse

Nur das Beste für unseren Nachwuchs: Das ist der Anspruch aller Eltern. Insbesondere rund um das Thema Ernährung für Babys und Kleinkinder ist das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher in den vergangenen…

Das könnte Sie auch interessieren

„Die Migration in die Cloud ist meist einfacher als gedacht!“

Interview mit Berkan Denkci, VP of Sales Central Europe der Enghouse AG

„Die Migration in die Cloud ist meist einfacher als gedacht!“

„Unsere zentrale Vision besteht darin, in unserem Segment stets die aktuellsten Lösungen anzubieten, die dem Marktstandard entsprechen“, fasst Berkan Denkci, VP of Sales Central Europe der Enghouse AG, die Mission…

Software weist den Weg im Verordnungs-Dschungel

Interview mit Florian Clever, Geschäftsführer der cleversoft group GmbH

Software weist den Weg im Verordnungs-Dschungel

Unsere komplexe Welt wird bestimmt durch eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und anderen Regularien. Banken und Versicherungen sowie institutionelle Kapitalanleger müssen ihre Prozesse diesen sich ständig wandelnden Bestimmungen anpassen, um…

So sieht der Einzelhandel der Zukunft aus

Interview mit Andreas Nebel, Vorstand und Uli Schäfer, Vorstand der DRS Deutsche Retail Services AG

So sieht der Einzelhandel der Zukunft aus

Als Uli Schäfer und Andreas Nebel die DRS Deutsche Retail Services AG gründeten, war es ihr Ziel, ganzheitliche IT-Lösungen speziell für den Einzelhandel anzubieten. Die Strategie der beiden Unternehmensgründer und…

TOP