„Brückenbau ist eine Erfüllung“

Interview mit Dr. Dieter Reitz, Geschäftsführer der MCE GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Reitz, kann man Sie als ‘Vollblutstahlbauer’ bezeichnen?

Dieter Reitz: Ja, das trifft zu. Seit 1984 bin ich in diesem Bereich unterwegs, seit 2009 in Österreich bei der MCE als technischer Geschäftsführer. Ich komme aus Hessen und pendle nach wie vor zwischen Linz und Frankfurt. Studiert habe ich in Darmstadt, wo ich auch zum Thema Stahlverbundbau promoviert habe.

Wirtschaftsforum: Was motiviert Sie bei Ihrer Arbeit am meisten?

Dieter Reitz: Meine Motivation ist das, was ich hier mache. Ich habe Bauingenieurwesen studiert, weil ich immer ins Ausland wollte. Die Anfänge Mitte der 1980er-Jahre waren eine Saure-Gurken-Zeit. Mit der MCE habe ich mir dann meinen Traum erfüllt. Das Arbeitsumfeld war eine reine Bereicherung und Erweiterung meines Horizonts. Unsere Arbeit geht über den Brückenbau hinaus und wir haben internationale Projekte. Das Schöne an Brücken ist für mich, dass man sieht, was man gemacht hat: Die Tragkonstruktion ist gleichzeitig die Ästhetik. Das ist eine Erfüllung.

Wirtschaftsforum: Wie ist die MCE entstanden?

Dieter Reitz: Sie ist 1989 aus einer Privatisierung der damaligen Stahlindustrie in Österreich hervorgegangen. Aufgrund der europaweiten Stahlkrise hatte der Staat entschieden, den großen Stahlhersteller VÖEST und seine Bereiche, unter anderem den Stahlbau, zu privatisieren. In mehreren Schritten wurden die 23 Unternehmen mit dem Kunstnamen MCE vom Staat entlassen. Seitdem gab es mehrere Eigentümerwechsel. 2009 wurde die MCE AG von der Bilfinger SE gekauft. Nachdem sie 2014/2015 bereits den gesamten Ingenieurbau mit Ausnahme der MCE Stahl- und Maschinenbau verkauft hatte, wurde die nunmehr firmierte MCE GmbH 2016 von der HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft als Teil der Habau Group-Unternehmensgruppe übernommen. Mit ihr fand man endlich einen strategischen Käufer, der zudem trotz eines Umsatzes von 1,6 Milliarden EUR eigentümergeführt ist.

Wirtschaftsforum: Wie ist die MCE heute aufgestellt?

Dieter Reitz: Wir haben Niederlassungen in Bremen, Mainz, Toulouse und Sevilla sowie Tochterunternehmen in Tschechien und Ungarn. Die MCE beschäftigt aktuell 550 Mitarbeiter. Unser Jahresumsatz liegt bei über 100 Millionen EUR. Neben dem Stahlbrückenbau, unserem größten Geschäftsbereich, sind wir in mehreren weiteren Bereichen des Stahlbaus tätig.

Wirtschaftsforum: Welche Bereiche sind das?

Dieter Reitz: Seit Anfang der 2000er-Jahre haben wir ein Nischenprodukt: Wir bauen sogenannte Montagelinien für den Airbus. Seitdem durften wir für alle Airbus-Modelle Aufträge abwickeln und bauen für Airbus in Frankreich und Spanien. Nur England fehlt noch. Ein weiteres Geschäftsfeld sind Klima-Windkanäle für die Automobilindustrie. Dieses hat sich entwickelt, nach- dem wir einen Klima-Windkanal für Züge gebaut hatten. Unser aktuelles Projekt ist ein Akustik-Windkanal für BMW. Unsere Bremer Niederlassung realisiert für Rheinmetall Electronics Simulatoren für U-Boote. Und die Niederlassung Rhein-Main macht anspruchsvollen Stahlhochbau und -verbundbau. Zu ihren Projekten zählen zum Beispiel ein maßgeschneidertes Parkhaus in Lagos in Nigeria oder die Sanierung der 120 m langen Halle des Bonner Hauptbahnhofs. Mittler- weile stehen aber auch hier die Brückenbauprojekte im Fokus.

Wirtschaftsforum: Gibt es Projekte, die Sie besonders hervorheben würden?

Dieter Reitz: Im Moment arbeiten wir an der Neuen Donaubrücke Linz. Das ist ein spektakuläres, von der Gestaltung her einzigartiges Bauwerk. 2020 haben wir mit der neuen Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp den größten Auftrag unserer Geschichte mit einem Auftragsvolumen von über 400 Millionen EUR eingefahren. Und dieses Jahr haben wir für die Rethebrücke in Hamburg, eine der größten Klappbrücken der Welt, den Deutschen Brückenbaupreis erhalten.

Wirtschaftsforum: Was macht die MCE Ihrer Meinung nach so erfolgreich?

Dieter Reitz: Unsere Firma hat immer funktioniert und ihr Soll meist sogar mehr als erfüllt. Im Stahlbrückenbau sind wir so aufgestellt wie keiner unserer Wettbewerber: In Linz befindet sich nur der Kopf der Firma. Unsere gewerblichen Mitarbeiter, die die Stahlbrücke zusammenbauen, sitzen bei unseren Fertigungsstätten in Tschechien und Ungarn. Da derzeit die Lohnkosten in Osteuropa stark steigen, müssen wir allerdings entsprechende Strategien finden, um wettbewerbsfähig zu bleiben, zum Beispiel durch verstärkte Automation. Uns zeichnet auch aus, dass wir immer unseren Weg gegangen sind. Wir greifen nicht nach den Sternen, sondern wollen kontinuierlich und organisch wachsen. Außerdem versuchen wir uns so aufzustellen, dass wir für junge Leute interessant sind. Unser Gut ist der Mensch, und wir müssen für uns die richtigen Menschen finden. Charakter ist mindestens genauso wichtig wie Intelligenz und Kompetenz.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Bau

Die richtigen Verbindungen unter einem Dach

Interview mit Marian Mehlhose, Geschäftsführer und Jürgen Bartenstein Leiter Vertrieb der KRUG Holzsystembinder GmbH

Die richtigen Verbindungen unter einem Dach

Dachbindersysteme und Holzrohbau bilden das Fundament für eine moderne und nachhaltige Bauweise. Als zentrale Elemente im Konstruktionsprozess von Gebäuden bieten sie nicht nur Stabilität und Sicherheit, sondern auch vielfältige gestalterische…

Nachhaltig. Langlebig. Swiss-made. Ein Schweizer ist Profi für Dämmung mit Holzwolle.

Interview mit Philipp Huber Geschäftsführer der Dietrich Isol AG

Nachhaltig. Langlebig. Swiss-made. Ein Schweizer ist Profi für Dämmung mit Holzwolle.

Der Klimawandel mit unberechenbaren Temperaturen. Energiekosten, die die Wirtschaft in Atem halten. Und ein Wettlauf darum, den CO2-Abdruck gerade im wichtigen Gebäudesektor durch zeitgemäße Dämmung möglichst gering zu halten. Die…

Modulare Effizienz vom Rohbau bis zum Hochbau

Interview mit Hauke Lattmann, Geschäftsführer der HABAU Deutschland GmbH

Modulare Effizienz vom Rohbau bis zum Hochbau

Seit seiner Gründung hat sich HABAU Deutschland mit Sitz in Heringen als ein führender Akteur in der deutschen Bauindustrie etabliert. Seine Geschichte ist geprägt von Innovation, Qualität und einem starken…

Spannendes aus der Region Linz

Wir gestalten B2B-Zukunft

Interview mit Tamara Grünzweil und Gerhard Preslmayer, CEO der SPS Marketing GmbH

Wir gestalten B2B-Zukunft

Marketing im B2B-Bereich folgt ganz anderen Regeln als Consumer Marketing. B2B-Marketing erfordert Spezialwissen, fundierte Marktkenntnisse und oft auch außergewöhnliche Ansätze. Genau das ist die Spezialität der SPS Marketing GmbH aus…

„Unsere Unabhängigkeit ist unser Kapital!“

Interview mit Thomas Wimmer, Geschäftsführer der TBP Engineering GmbH

„Unsere Unabhängigkeit ist unser Kapital!“

„Kaum eine Branche ist so nachhaltig wie die Papierindustrie“, ist Thomas Wimmer überzeugt. Als Geschäftsführer der österreichischen TBP Engineering GmbH, die branchenspezifische Ingenieurdienstleistungen anbietet, ist die wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige…

„Wir bieten die größte Länderabdeckung!“

Interview mit Rainer Roll, Geschäftsleitung von MIC

„Wir bieten die größte Länderabdeckung!“

Die globalisierte Welt stellt international tätige Firmen vor große Herausforderungen. Schier unüberschaubar scheint der Wust an Zoll- und Exportkontrollvorschriften. Doch es gibt Hilfe. MIC hat eine spezielle Software entwickelt, die…

Das könnte Sie auch interessieren

Swiss Quality mit Wow-Effekt

Interview mit Elio Lupica, CEO der Mikron Switzerland AG Division Tool

Swiss Quality mit Wow-Effekt

Schweizer Produkte genießen weltweit einen besonderen Ruf. Das gilt für Uhren, Schokolade, Käse – und Werkzeuge. Die Mikron Switzerland AG Division Tool macht Swiss Quality alle Ehre. Das in Agno…

„Wir sind ein verlässlicher und flexibler Partner!“

Interview mit Marcel Sanders, Technisch-Kaufmännischer Direktor der GS Staalwerken Holding B.V.

„Wir sind ein verlässlicher und flexibler Partner!“

Mit diversen Produkten und Dienstleistungen haben sich die GS Staalwerken mit dem Hauptsitz in Helmond auch außerhalb der Niederlande etabliert. Dabei sieht sich das Unternehmen als One-Stop-Shop für seine Kunden.…

Kupfer – Enabler der Energiewende

Interview mit Martin Gerlach, Vice President Sales der HME Copper Germany GmbH

Kupfer – Enabler der Energiewende

Im 17. Jahrhundert als Hammerwerk gegründet, heute, nach verschiedenen Umstrukturierungen und Übernahmen, Teil eines chinesischen Konzerns – die HME Copper Germany GmbH blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Eine Unternehmensgeschichte,…

TOP