„Prozessentwicklung wird oft unterschätzt“
Interview mit Dirk Schnur, Chief Marketing Officer der TELSONIC AG
Wirtschaftsforum: Herr Schnur, wie erleben Sie die aktuelle krisengeprägte Zeit?
Dirk Schnur: Während der Pandemie hatten wir einen Rückgang im Bereich Kunststoff- und Metallschweißen für die Autoindustrie. Den konnten wir durch den Medizinalbereich gut kompensieren. Die Autoindustrie hat sich gut erholt. Hier gibt es neue Trends wie Nachhaltigkeit und Elektromobilität. CO2-neutrale Autos sind das Ziel. Der Krieg in der Ukraine hat uns überrascht in Dimension und Grausamkeit. Wir haben festgestellt, wie viele unserer Kunden, gerade im Automotive-Bereich, Produktionen in der Ukraine haben. Die OEMs benötigen Kabelbäume und suchen nun nach Möglichkeiten, die Produktion sicherzustellen. Wir haben daher Ultraschall-Schweißanlagen in andere Länder geliefert.
Das hat einen positiven Schub gegeben. 2021 war sehr erfolgreich, und 2022 wird aufgrund der genannten Trendthemen noch besser. Gegenüber Laser und Widerstandsschweißen ist das Ultraschall-Schweißen eine der umweltfreundlichsten Technologien. Sie unterstützt unsere Kunden beim Thema Nachhaltigkeit.
Wirtschaftsforum: Welche Produktneuheiten hat TELSONIC zu bieten?
Dirk Schnur: Ein Fokusthema sind dünnwandigere Kunststoffe für Autos. Hier bieten wir Neuheiten wie das SONIQTWIST mit torsionaler Schweißtechnik. Es kann die neuen Designs unserer Kunden qualitativ besser umsetzen als die Verfahren unserer Wettbewerber. Eine weitere Neuheit ist MAG Weld Control. Wir haben das Produkt um einen Controller erweitert. Unserer Software-Plattform heißt TelsoFlex. Wir verbinden also Hard- und Software und Elektronik. So können wir den gesamten Ultraschallprozess in Echtzeit monitoren und den Kunden in fast unbegrenzter Größenordnung Informationen zur Verfügung stellen. Damit sind wir einzigartig im Markt.
Wirtschaftsforum: Die Digitalisierung spielt bei Ihren Produkten also eine wichtige Rolle?
Dirk Schnur: Absolut. Eine unserer digitalen Innovationen geht beispielsweise in Richtung Predictive Maintenance. Mithilfe vieler Sensoren können wir den Prozess für die Kunden sichtbar machen. Die Digitalisierung ist Innovations- und Wachstumstreiber. Die tiefgreifende Prozessentwicklung, die neben der Produktentwicklung nötig ist, wird oft unterschätzt. Dabei ist sie ein Must-have. Wir stellen uns diesem Thema seit mehreren Jahren.
Wirtschaftsforum: Was hat es mit dem torsionalen Schweißen auf sich?
Dirk Schnur: Das ist unser USP. Das torsionale Schweißen, als das Schweißen mit rotativer Bewegung, ist im Engineering nicht einfach umzusetzen. Damit sind wir einzigartig. Durch die torsionale Reib-Schweiß-Bewegung, die ohne das übliche Hämmern auskommt, ist es eine schonende Art des Ultraschallschweißens. Wir sind fast 56 Jahre am Markt und haben schon viele Applikationen gelöst. Dadurch haben wir ein tiefes und breites Applikations-Know-how zu neuen Materialien.
Wirtschaftsforum: Was ist es noch, was TELSONIC so erfolgreich macht?
Dirk Schnur: Wir sind sehr beweglich und wir setzen bei allem auf Nachhaltigkeit. Nicht der kurzfristige Erfolg ist das Ziel. Wir entwickeln uns in allen Facetten, die eine Firma attraktiv macht, und vereinfachen die Komplexität für den Kunden. Nachhaltigkeit leben wir auch mit unseren Entwicklungen in den Bereichen Ultraschall, anerkannt als Green Technology. Das Thema wird immer wichtiger. Wir berücksichtigen es bei allen Investitionen.
Wirtschaftsforum: Aus welchen Branchen kommen Ihre Kunden?
Dirk Schnur: Wir haben Kunden aus den Bereichen Automotive, Lebensmittel und Medizintechnik beziehungsweise Maschinen- und Anlagenbau. Europa ist unser Hauptmarkt, aber da wir Automotive- lastig sind, liefern wir auch viel nach Amerika, Kanada und Mexiko. Seit 15 Jahren sind wir auch in China.
Wirtschaftsforum: Welche weiteren Pläne haben Sie für die Zukunft?
Dirk Schnur: Derzeit ist es schwierig, langfristig zu planen. Wir werden uns auf jeden Fall weiterentwickeln. Dafür brauchen wir neue Leute – viele neue Leute. Der Personalmangel, vor allem im Ingenieursbereich, ist ein Problem. Unsere Arbeitsbedingungen sind attraktiv, und wir bieten spannende Aufgaben. Wir suchen keine Leute, die nur auf monetäre Dinge Wert legen. Unsere Mitarbeiter sollen sich bei uns wohlfühlen und gerne Leistung bringen.