„Nachhaltigkeit begrenzt durch Rohstoffmarkt“
Interview mit Kai Tittgemeyer, Geschäftsführer der NESCHEN Coating GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Tittgemeyer, Ihr Unternehmen steht seit mehr als 130 Jahren für Innovation. Ein historisches Beispiel ist Ihre ‘Bückeburger Buchhaut’. Was hat sich in den vergangenen Jahren bei Ihnen getan?
Kai Tittgemeyer: Sie haben Recht, wir bringen jedes Jahr 20 bis 30 neue Produkte auf den Markt. In 2020 sticht unsere Produktserie easySTYLE heraus. Mit dieser Möbelfolie kann jeder kurzfristig und auf ganz einfache Weise seine Möbel umgestalten und zum Beispiel aus Eiche Buche machen. Die Folie ist mit verschiedenen Oberflächen und Dekoren erhältlich, teilweise auch mit haptischer Prägung. Diese Serie läuft bereits gut an. Wir gehen damit einen Schritt in Richtung Interior Decoration. In diesem Bereich wollen wir stärker werden. Corona hat außerdem die Nachfrage nach antiviralen Produkten geweckt. Vier Folien überarbeiten wir daher derzeit mit Anti-Viren-Oberflächen. Und auch in punkto Nachhaltigkeit haben wir Neues zu bieten. Hier gibt es eine große Nachfrage; das Thema wird für die Kunden immer wichtiger.
Wirtschaftsforum: Welche Produkte sind das?
Kai Tittgemeyer: Im Bereich Buchschutz haben wir unsere biologisch abbaubare organic-Folie gelauncht. Insgesamt werden wir bei nachhaltigen und grünen Produkten immer stärker, das zieht sich seit 2020 durch alle Segmente und gilt auch für unsere Handelsware. Im grafischen Bereich ersetzen wir PVC durch die viel nachhaltigeren Kunststoffe PP, PET und PPE. Wir haben zum Beispiel seit Jahren PVC-freie Tapeten. Die easySTYLE-Serie ist papierbasiert und damit ebenfalls umweltfreundlich. Der limitierende Faktor bei der Herstellung nachhaltiger Folien ist der Rohstoffmarkt, der leider vieles noch nicht hergibt.
Wirtschaftsforum: Zieht sich der Trend zur Nachhaltigkeit durch all Ihre Geschäftsbereiche?
Kai Tittgemeyer: Nicht in gleichem Maß. Während Nachhaltigkeit in der Buchproduktion und -reparatur sowie im grafischen Bereich ein großes Thema ist, ist das in unserem dritten Bereich, der industriellen Beschichtung, weniger der Fall. Hier geht der Trend eher zu individuelleren Lösungen, weg vom Standard.
Wirtschaftsforum: Wie sind Sie bisher durch die Corona-Zeit gekommen?
Kai Tittgemeyer: Bei NESCHEN Coating haben wir 2020 keine Einbußen gehabt. Im Buchschutz haben wir immer noch die Nase vorn. Im grafischen Bereich gibt es zwar viel Wettbewerb, aber wir sind stark in unserer Nische. In der industriellen Beschichtung profitieren wir besonders von unserem Know-how aus den anderen Bereichen. Unsere Tochterunternehmen haben allerdings die Folgen der Corona-Pandemie zu spüren bekommen, unter anderem aufgrund des Wegfalls von Messen und Events sowie gekürzten Werbebudgets.
Wirtschaftsforum: Was macht NESCHEN Coating so erfolgreich?
Kai Tittgemeyer: Ein Grund für den Erfolg ist neben unserem tollen Team und den loyalen Kunden unsere breite Aufstellung mit den drei Bereichen. Seit 2020 stellen wir auch Maschinen für den grafischen Bereich her, da wir unseren Hersteller gekauft haben. Mit unseren FILMOLUX Handelsgesellschaften in Deutschland, Österreich, Frankreich, den Benelux-Ländern, Italien, der Schweiz und Skandinavien können wir tief in die Länder gehen. Über sie bekommen wir Informationen aus den Märkten und haben somit selbst unser Ohr am Markt. Wir verkaufen derzeit in 72 Länder und wollen unser Auslandsgeschäft noch weiter in Richtung Osteuropa, Russland und Asien ausbauen. In Amerika haben wir 2020 bereits die Neschen Inc. gegründet.