„Durch Corona wurden wir ein gesünderes Unternehmen“

Interview mit Thomas Hansche, Geschäftsleiter der Ludwigsfelder Logistik GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Hansche, Ihr Logistikunternehmen hat sich unter anderem auf Tiefkühl-, Gefahrgut- und anderweitige Sondertransportlösungen spezialisiert. Bestand dieser klare Fokus schon seit der Gründung im Jahr 2010?

Thomas Hansche: Nein, diese Entwicklung hat sich eigentlich erst als Ergebnis der Coronakrise ergeben. Vorher hatten wir uns im klassischen Verteilerverkehr engagiert und uns dabei im Rahmen von Linienfahrten etwa um die Auslieferung von Arzneimitteln und Medizinprodukten unter Temperaturführung gekümmert oder waren als Auftragnehmer bei der Belieferung von Supermärkten auf der letzten Meile aufgetreten. Im Zuge der Coronapandemie und der dadurch bedingten Verwerfungen in den Lockdown-Zeiten hatten viele unserer Wettbewerber, vorwiegend mit Sitz in Osteuropa, auf einmal in größerem Umfang freie Kapazitäten zu verbuchen und drängten somit auch verstärkt in den Kühl- und Lebensmittelmarkt hinein, auf dem bis dahin der Schwerpunkt unserer Unternehmenstätigkeit gelegen hat. Uns war klar: Den damit einsetzenden Preiskampf konnten wir nicht auf Dauer gewinnen.

Wirtschaftsforum: Sie mussten sich also etwas einfallen lassen.

Thomas Hansche: Das stimmt. Dabei konnten wir uns aber auf die gewachsene Schlagkraft unseres Unternehmens verlassen: Unser Fuhrpark besteht aus 45 Sattelzugmaschinen, 60 Aufliegern, 18 Planaufliegern zum Warentransport sowie 20 Lkw und 85 Sprintern. Noch bedeutsamer als dieses starke Equipment sind allerdings unsere 120 Mitarbeiter und die besonders hohe Qualität, durch die wir uns bei unseren Auftraggebern einen Namen machen konnten. Mit diesem Track-Record sind wir dann auch bei anderen Marktteilnehmern vorstellig geworden, die aufgrund ihres Tätigkeitsfeldes besondere Ansprüche an ihre Partner stellen und entsprechende Sonderlösungen benötigen, die sich nur mit einer umfangreichen Kompetenz und Verlässlichkeit abbilden lassen. Dort konnten wir punkten und engagieren uns, nachdem wir einige dadurch erforderlich gewordene Anpassungen an unserem Fuhrpark vorgenommen haben, nun auch in der europaweiten Logistik von besonders sensiblem Transportgut. Vor der Coronapandemie haben wir 60% unseres Umsatzes mit einem einzigen Kunden generiert; heute sind wir dagegen wesentlich breiter aufgestellt. In gewisser Weise ist durch diese gesamtwirtschaftliche Ausnahmesituation bei uns also ein gesünderes Unternehmen entstanden, das seine Kernkompetenzen nun wesentlich diverser bespielen kann. Damit sehen wir uns auch für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet.

Wirtschaftsforum: Eine besondere Herausforderung liegt für viele Logistikanbieter auch in der Personalgewinnung – Stichwort: Fachkräftemangel.

Thomas Hansche: Das ist aus meiner Sicht ein zweischneidiges Schwert. In den letzten 20 Jahren hat unsere Branche einen enormen Nachfrageschub erfahren, der mit einer ebenso starken Ausweitung der Ressourcen einherging: Anstatt einer Million Lkw wie zur Jahrtausendwende sind nun etwa zwei Millionen Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs. Entsprechend groß war auch der Ruf nach möglichst billigen Dienstleistungen, was im Regelbetrieb in aller Konsequenz auch eine niedrige Entlohnung der Fahrer nach sich zog. Bisweilen erreichen auch uns Anfragen, in denen Preisrahmen ausgewiesen sind, die unter Berücksichtigung des deutschen Mindestlohns sowie der übrigen arbeitsrechtlichen Gegebenheiten schlicht nicht seriös realisiert werden können. Das war aber auch niemals unser Marktfeld. Als Ludwigsfelder Logistik haben wir stets die attraktiveren Nischen gesucht und unser Geschäftskonzept nie auf einfache Massenware ausgelegt.

Wirtschaftsforum: Wie sieht vor diesem Hintergrund die aktuelle Marktlage für Ihr Unternehmen aus?

Thomas Hansche: In gewisser Weise sind wir Kriegsgewinner – wobei wir den russischen Überfall auf die Ukraine selbstverständlich in aller Deutlichkeit verurteilen. Durch den Krieg fehlen derzeit auf dem polnischen Markt etwa 300.000 bis dato eingesetzte ukrainische Fahrer, wodurch im Nachgang auch im deutschen Logistiksektor entsprechende Lücken entstanden sind, die in der aktuellen Zeit einen tatsächlich bestehenden Fachkräftemangel bedeuten: Für den derzeitigen Bedarf stehen nämlich wirklich nicht genügend Fahrer zur Verfügung. So war der Logistiksektor im Übrigen eine der wenigen Branchen, in der es auch mittelständischen Unternehmen möglich war, die von uns erlebten Preissteigerungen (gerade bei den Kraftstoffen) auf unsere Kunden umzulegen. Auch die Auftraggeber von Ludwigsfelder Logistik haben mit Verständnis reagiert, weshalb wir unseren Mitarbeitern dieses Jahr eine durchschnittliche Lohnerhöhung um 10% als Inflationsausgleich anbieten können. Die Verhandlungen mit unseren Auftraggebern über die Verlängerung unserer Rahmenverträge für die nächsten fünf Jahre verliefen ebenfalls fair und mit einem guten Ergebnis für alle Beteiligten. Wichtig für die Zukunft sind allerdings faire Wettbewerbsbedingungen, für die ich mich auch in einschlägigen Berufsverbänden einsetze. Denn bisher entsteht zu oft der Eindruck, dass auf die Einhaltung länderspezifischer und EU-weiter Vorschriften zu Arbeitsschutz, Mindestlohn und Kabotage nicht mit ausreichendem Nachdruck geachtet wird.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Transport & Logistik

Die Zukunft des Lagerwesens

Interview mit Ing. Alfred Altmann, Geschäftsführer der SIBA System Integration GmbH

Die Zukunft des Lagerwesens

Seit mehr als zwei Jahrzehnten steht die SIBA System Integration GmbH mit ihrem Fokus auf vollautomatische Hochregallager an der Spitze der Zeit. Doch in einer Ära der Globalisierung und der…

Ihre Supply Chain – transparent und kostenoptimiert

Interview mit Srecko Mühling, Chief Commercial Officer und Nebojsa Kolakovic, Chief Operations Officer der 4PL Central Station Deutschland GmbH

Ihre Supply Chain – transparent und kostenoptimiert

Transport- und Logistikprozesse sind in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden. Entsprechend ist es für Unternehmen, die große Mengen Waren bewegen, wichtig, einen zuverlässigen koordinierenden Partner zur Seite, gleichzeitig aber…

Logistik- und Technikdienstleister mit Blick für das Ganze

Interview mit Bruno Boes, Alexander Boes und Stephanus Bernholt

Logistik- und Technikdienstleister mit Blick für das Ganze

Ein Firmengelände, größer als 350 Fußballfelder. 35.000 gelagerte Autos. 150 abgefertigte Lkw täglich. Es sind beeindruckende Zahlen, die die BTR - Transportlogistik GmbH aus Rehden kennzeichnen. Das Unternehmen ist Teil…

Spannendes aus der Region Landkreis Teltow-Fläming

„Architektur bedeutet gesellschaftliches Engagement!“

Interview mit Architekt Robert Patzschke, Geschäftsführer der Patzschke Planungsgesellschaft mbH

„Architektur bedeutet gesellschaftliches Engagement!“

Das renommierte Architekturbüro Patzschke aus Berlin hat sich nicht nur durch seine klassisch-traditionelle Entwurfsphilosophie einen Namen gemacht, sondern auch durch die visionäre Schaffenskraft seiner beiden Gründer, Rüdiger und Jürgen Patzschke,…

„Wirtschaftsförderung beginnt im Kleinen!“

Interview mit Evelyn Paschke, Geschäftsführerin der Technologie- und Gewerbezentren Potsdam GmbH

„Wirtschaftsförderung beginnt im Kleinen!“

Als mit dem GO:IN 2 ein weiteres Labor- und Gewerbegebäude im Potsdam Science Park im Oktober 2021 eröffnet wurde, rechnete Geschäftsführerin Evelyn Paschke mit regem Zulauf. Der tatsächliche Ansturm hat…

„Wir erleben einen Run auf kleine Büroflächen“

Interview mit Evelyn Paschke, Geschäftsführerin der Technologie- und Gewerbezentren Potsdam GmbH

„Wir erleben einen Run auf kleine Büroflächen“

Vor den Toren Berlins liegt eine Stadt mit unternehmerischer Aufbruchsstimmung. Das Kommunalunternehmen Technologie- und Gewerbezentren Potsdam GmbH greift den Start-ups aus verschiedensten Branchen dabei unter die Arme. Im Interview sprach…

Das könnte Sie auch interessieren

Ein Logistik-Spezialist für besondere Ladungen und Anforderungen

Interview mit Tjardo Frei, Geschäftsführer der netcon int. GmbH

Ein Logistik-Spezialist für besondere Ladungen und Anforderungen

Internationale Logistik steht für weit mehr als ‘nur’ die reine Transportdienstleistung von A nach B. In einer globalisierten Welt werden beständige Versorgungsketten sowie einzelne Projekte mithilfe moderner Technik, Informationstechnologie und…

Es gibt nur eine Richtung – nach vorn!

Interview mit Gerold Hohwieler, Geschäftsführer der Transac Internationale Speditionsgesellschaft mbH

Es gibt nur eine Richtung – nach vorn!

Logistik 4.0 – Digitalisierung, Automatisierung, Big Data, künstliche Intelligenz. Kein Zweifel, die Logistikbranche befindet sich im Wandel. Die Transac Internationale Speditionsgesellschaft mbH aus Rülzheim in der Pfalz ist offen für…

„Bloß die Ruhe bewahren“

Interview mit Christian Zerza, Geschäftsführer der Zerza Gastechnik GmbH

„Bloß die Ruhe bewahren“

Christian Zerza, Geschäftsführer der 1979 gegründeten Zerza Gastechnik GmbH mit Sitz im österreichischen Hermagor, ist mit dem Vertrieb von Flüssiggas und technischen Gasen groß geworden. Der aktuellen Verunsicherung im Energiesektor…

TOP