Nicht gut, nicht schlecht, aber notwendig

Interview mit Thomas Dassler, Geschäftsführer und Arne Bader, Chief Digital Officer der Häffner GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Herr Dassler, Häffner feiert in diesem Jahr das 120-jährige Firmenjubiläum. Was sind für Sie besondere Meilensteine?

Thomas Dassler: Das Unternehmen wurde 1903 als Agentur für Säuren und Laugen gegründet; damals hat man die Produkte mit Korbballons auf Pferdewagen transportiert. Seitdem ist Häffner konstant gewachsen und hat sich zum Chemikalien-Handelsunternehmen entwickelt, das die chemische Industrie mit der Verarbeitungsindustrie verbindet. Wichtige Meilensteine waren Investitionen in einen Neubau in Asperg 1977, wo sich das Headquarter befindet. 2014 haben wir einen Neubau in Marbach errichtet, ein Logistikzentrum mit vollautomatischem Hochregal. Aus Sicherheitsgründen ist das Lager sauerstoffreduziert; so können verschiedene Gefahrstoffgebinde nebeneinander gelagert werden. In den nächsten zwei Jahren steht ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Zukunft bevor – der Umzug des Headquarters mit Produktion und Verwaltung nach Marbach. Ein erster Abschnitt mit einem Lager für 7.500 Paletten wurde bereits realisiert; in wenigen Monaten steht der Spatenstich für den zweiten Abschnitt an, sodass wir spätestens Ende 2024 den Neubau beziehen können.

Wirtschaftsforum: Das klingt nach einer konstanten Weiterentwicklung. Wie haben sich die Krisen der vergangenen drei Jahre ausgewirkt?

Thomas Dassler: In der Summe waren es sehr gute Jahre für uns. Ein Vorteil war, dass Produkte für Desinfektionsmittel wie Glycerin oder Ethanol in unseren Tanks lagern, weil wir sie tagtäglich für unsere Kunden abfüllen. Wir haben schnell erkannt, wie wichtig die Herstellung von Flächen- und Desinfektionsmitteln in der Pandemie werden würde, in kurzer Zeit Zulassungen für die Herstellung eingeholt und mit der Produktion begonnen. Es war ein ebenso sinnvolles wie gutes Geschäft; wir mussten kein einziges Mal Kurzarbeit anmelden und konnten auch in dieser Zeit solide wirtschaften.

Arne Bader: Es ging damals um Produkte, die von heute auf morgen knapp wurden. Als Großhändler profitierten wir von einem internationalen Netzwerk und konnten auch große Mengen relativ schnell beschaffen. Wir beschaffen weltweit Ware aus unterschiedlichen Quellen; mit dem Krieg gingen die Herausforderungen dann schnell in die Breite. Hat man eine Quelle gefunden, muss die Ware von A nach B kommen; allerdings fehlt das Personal.

Thomas Dassler: Insgesamt war es eine herausfordernde Zeit, in der unsere Diversifizierung von großem Vorteil war. Wir haben über 3.000 verschiedene Produkte – Salz- und Schwefelsäure, Natronlauge, Glycerin und andere Chemikalien – für Industrien wie PICAR – Paints, Inks, Coatings, Additives and Resins – PTL – die Papier-, Textil- und Lederindustrie – Wäschereien, Molkereien, Automobil- und Kunststoffindustrie, Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln. Einige Bereiche haben nachgelassen, wurden aber durch andere kompensiert.

Was den Krieg in der Ukraine betrifft, beschäftigt uns neben der humanitären Katastrophe der Fahrermangel; ein Großteil der Fahrer am Spotmarkt kommt aus der Ukraine, was dazu führt, dass unsere Lieferanten oft nur schwer Spediteure finden, weil diese Fahrer fehlen. Durch den Krieg, die Embargos und die fehlende Unabhängigkeit im Bereich Energie sind die Strom- und Gaskosten enorm gestiegen. Das betrifft auch uns als Händler. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemieindustrie, vor allem der Produzenten, ist dadurch meiner Meinung nach massiv bedroht.

Im internationalen Vergleich schneidet der Standort Deutschland, was Strom- und Energiekosten angeht, gegenüber dem Mittleren Osten und auch den USA sehr schlecht ab. Unsere Produkte werden allerdings immer benötigt; sie sind weder gut noch schlecht, entscheidend ist der Umgang mit Chemikalien.

Wirtschaftsforum: Wie ist Häffner strukturell aufgebaut und warum entscheiden sich Kunden für Häffner und nicht für Wettbewerber?

Thomas Dassler: Wir haben 200 Mitarbeiter in der Gruppe und einen Jahresumsatz von 140 Millionen EUR. Zur Gruppe gehören die auf Laborchemikalien spezialisierte Dr. Wieland GmbH & Co. KG, die Imhoff & Stahl GmbH aus Mannheim mit Fokus auf Spezialchemikalien, GB Chemie GmbH für Spezialchemikalien und die REC 53 GmbH mit Schwerpunkt Jodspezialitäten. REC 53 steht für eine besonders nachhaltige Produktion; hier werden jodhaltige Abfälle wiederaufbereitet. Unsere Stärke ist, dass wir alles aus einer Hand liefern.

Wir bieten ein breites Produktportfolio sowie Spezialitätenchemie in unterschiedlichsten Größenordnungen an. Manche Kunden kaufen bei verschiedenen Töchtern. Letztlich arbeiten wir aber mit austauschbaren Produkten; deshalb ist die Qualität der Kundenbegegnung wettbewerbsentscheidend. Wir stehen für Authentizität, sind immer ansprechbar, schnell und flexibel in den Entscheidungen und punkten mit einem eigenen Fuhrpark. Kunden schätzen nicht nur, dass Ware in guter Qualität zu einem guten Preis termingerecht bei ihnen ankommt, sondern auch, dass wir ihnen Einblicke in die Supply Chain geben.

Arne Bader: Ich würde unsere USPs auf Persönlichkeit, Qualität, Innovationskraft und Zuverlässigkeit herunterbrechen. Es geht immer um Partner.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit?

Thomas Dassler: Eine große Rolle. Wir haben verschiedene Zertifikate und übererfüllen gesetzliche Anforderungen. Wir waren zum Beispiel einer der ersten, die sich an der Responsable Care Initiative der chemischen Industrie beteiligten. Chemie kann allerdings nur begrenzt grün sein. Gibt es grüne Alternativen, soll man sie nutzen.

Wirtschaftsforum: Gibt es Visionen oder Ziele für die Zukunft?

Thomas Dassler: Unser Ziel ist, Marktführer im digitalisierten Chemiehandel zu werden. Smart Chemicals sind ein großes Thema.

Arne Bader: Die Digitalisierung war in der Corona-Krise ein großer Treiber. Als Händler sind wir in vielen verschiedenen Bereichen unterwegs und unsere Aufgabe liegt zunächst darin, dem Kunden zuzuhören. Wo liegen seine Herausforderungen und Probleme? Wir hören regelmäßig, dass Kunden Probleme mit Leergut haben. Vor dem Hintergrund, dass gerade in Ballungszentren Grundstückspreise extrem hoch sind, ist das ein ernsthaftes Problem. Flächen werden zum Teil für leere Container reserviert, obwohl sie eigentlich für die Produktion benötigt würden. Container laufen im Pfandsystem, das heißt, wir haben es mit gebundenem Kapital zu tun.

Ein anderes Thema ist die Transparenz der Lieferketten. Wo ist die Ware? Wann kommt sie? In welchem Zustand befindet sie sich? Fragen wie diese waren der Ausgangspunkt für die Suche nach digitalen Tools, die unser Geschäft anreichern, Probleme lösen und Kunden Mehrwerte bieten können. So entstand Häffner Smart Chemicals mit aktuell zwei Säulen Track&Return und ChemAbo. Bei Track&Return geht es darum, eine gewisse Anzahl von Gebinden mit Trackern unseres Partners packwise auszustatten, um Temperatur, Positionierung, Füllstand und Ähnliches zu messen.

Durch ein angebundenes Softwareportal können auf Basis der gemessenen Daten Folgeaktionen automatisiert werden. Das Portal meldet zum Beispiel automatisch leere Container; die Abholung der Container kann direkt anvisiert, Ware schneller nachgeliefert werden. Das hilft Kunden, Geld zu sparen, da hohe Kapitalbindungen für Pfandauslagen vermieden werden. Beim ChemAbo-Service geht es um die Bestandssicherung durch automatische Nachschubbelieferungen. Ein dritter Service wird unser digitales Serviceportfolio in Zukunft ergänzen und unseren Vorstoß in die Chemie 4.0 weitervoranbringen.

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