„Uns fehlt Planungssicherheit“

Interview mit Dipl.-Ing. Christiane Dörte Sperling, Geschäftsführerin der Eisenacher Versorgungs- Betriebe GmbH

Wirtschaftsforum: Frau Sperling, welche Entwicklungsschritte waren auf dem Weg zur heutigen evb wichtig?

Christiane Dörte Sperling: Die evb ist 1991 von einem bunten Kreis von Gesellschaftern gegründet worden. Unsere Mehrheitsgesellschafterin ist die Stadt Eisenach. Mit einigen Gesellschafterwechseln ist die Stadt Eisenach in der Gesellschafterstruktur unsere feste Größe. 1992 haben wir mit dem Strom- und Gasverkauf begonnen und das Fernwärmenetz, unser heutiges Kerngeschäft, ausgebaut. Im gleichen Jahr haben wir an unserem Standort in Eisenach ein Heizkraftwerk modernisiert, das im Hinblick auf die Wärmewende noch von Bedeutung sein wird. Im Jahr 2006 wurde die EVB Netze GmbH als Tochtergesellschaft von der evb gegründet. Dieses Konstrukt haben wir 2020 infolge von Regulierungsanforderungen als große Netzgesellschaft ausgestaltet.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich das Unternehmen wirtschaftlich entwickelt?

Christiane Dörte Sperling: Wir beschäftigen heute gut 80 Mitarbeiter, die sich gleichmäßig auf beide Gesellschaften verteilen. Unser Umsatz war in den letzten Jahren mit rund 43 Millionen EUR konstant. 2019 hatten wir bislang unser bestes Geschäftsergebnis mit knapp fünf Millionen EUR erwirtschaftet. Dazu hat im Wesentlichen die Fernwärme beigetragen. In Anbetracht der Herausforderungen durch die Klimaschutzgesetzgebung und die Wärmewende werden wir aber dieses Ergebnis nicht dauerhaft halten können, da wir ein Vielfaches in unsere Infrastruktur und Erzeugungsanlagen investieren müssen. In diesem Zuge werden sich auch unsere vertrieblichen Geschäftsmodelle verändern. Die gesamte Energiewirtschaft wird einen epochalen Wandel erleben.

Wirtschaftsforum: Was bedeutet das für die evb?

Christiane Dörte Sperling: Die neuen gesetzlichen Vorgaben stellen uns vor große Herausforderungen. Unternehmen unserer Größenordnung haben nicht für alle Themen der Gesetzesvorlagen Spezialisten im Haus. Ich würde mir von der Politik verlässlichere Rahmenbedingungen wünschen. Durch die häufigen System- und Paradigmenwechsel bei der Frage, wie die Energiewende umgesetzt werden soll, fehlt uns die Planungssicherheit. Wir wissen nicht, ob unsere Planungen im Hinblick auf unsere Anlagen in der nächsten Legislaturperiode noch wirtschaftlich sind. Diese Unsicherheit trifft auch unsere Gesellschafter.

Wirtschaftsforum: Welche Themen beschäftigen Sie in Ihrer Position als Geschäftsführerin besonders?

Christiane Dörte Sperling: Ich bin seit Juli 2020 Geschäftsführerin der evb und war schon vorher in der Energiewirtschaft tätig. Ein wichtiges Thema ist für mich der Fachkräftemangel. In unserer Region gibt es viel Automobilindustrie mit ganz anderen Vergütungssystemen. Wir versuchen, dieser Konkurrenz mit unserer Unternehmenskultur entgegenzusteuern. Hier profitieren wir von einer großen Anpassungsfähigkeit durch flache hierarchische Strukturen. Darüber hinaus bieten wir unseren Mitarbeitern ein großes Portfolio an Vergünstigungen.

Wirtschaftsforum: Welche Produkte und Leistungen stehen bei Ihnen im Vordergrund?

Christiane Dörte Sperling: In erster Linie sind wir Lieferant für Strom, Gas und Fernwärme. Bei energienahen Dienstleistungen liegt der Fokus aktuell auf der E-Mobilität. Wir bieten Ladeinfrastruktur vorrangig für gewerbliche Betriebe und öffentliche Ladeinfrastruktur, darüber hinaus auch die Infrastruktur von Glasfasernetzen. Mit unseren Leistungen garantieren wir, dass die Stadt über eine moderne Infrastruktur verfügt, die sie attraktiv macht. Natürlich müssen wir unser Engagement unter dem wirtschaftlichen Aspekt betrachten. Unser Investitionsvolumen ist begrenzt und Fehlinvestitionen können wir uns nicht leisten. Unsere Kundengruppe reicht von kleinen Industrieunternehmen über Gewerbe und Handel bis hin zum Privathaushalt. Große Industriebetriebe zählen nicht dazu, da das wirtschaftliche Risiko für uns zu groß wäre.

Wirtschaftsforum: Wie kommunizieren Sie mit potenziellen Kunden und Mitarbeitern?

Christiane Dörte Sperling: Neben dem klassischen Kommunikationsweg per Post, zu dem wir gesetzlich verpflichtet sind, nutzen wir die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation. Seit dem vergangenen Jahr sind wir auch auf Instagram, insbesondere zum Personalrecruiting. Dort treten wir zum Beispiel mit Videos von Fachmessen auf. Besonders die Altersstruktur in den Netzen muss dringend verjüngt werden. Wir sind deshalb auch eine Partnerschaft mit dem Handballclub ThSV Eisenach eingegangen, der von der Altersgruppe, die wir suchen, stärker wahrgenommen wird. Unsere Instagram-Aktivitäten haben bereits dazu geführt, dass wir die Ausbildungsplätze schneller besetzen konnten als in den Vorjahren.

Wirtschaftsforum: Was zeichnet die evb Ihrer Meinung nach besonders aus?

Christiane Dörte Sperling: Da wir stark regional verankert sind, werden wir als Unternehmen wahrgenommen, das Verantwortung für die Region, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit, übernimmt. Dadurch haben wir einen hohen Bekanntheitsgrad und eine hohe Markenkompetenz. Außerdem haben wir durch unsere Präsenz vor Ort für unsere Kunden ein Gesicht und bieten ihnen einen persönlichen Service. Eine Besonderheit für unser Unternehmen ist aber auch, dass wir eine Frauenquote von 76% haben; das ist eine absolute Seltenheit in der Branche. Unsere erste Führungsebene ist mehrheitlich mit Frauen besetzt. Das wirkt sich positiv auf das Miteinander aus. Transparenz und Offenheit haben einen hohen Stellenwert, und das Unternehmensinteresse steht mehr im Vordergrund als die persönlichen Interessen.

Wirtschaftsforum: Was ist Ihr persönlicher Antrieb bei Ihrer Arbeit?

Christiane Dörte Sperling: Ich finde die Vielfalt spannend. Die Branche hat eine hohe Dynamik und damit viele zu steuernde Aspekte. Für mich kann ich wirklich sagen: Energie macht Spaß!

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