Die Welt braucht nicht mehr schwarze Shirts, sondern eine inspirierende Marke
Interview mit Henrik Bunge, CEO der Björn Borg Gruppe
Wirtschaftsforum: Mit IKEA an der Spitze ist Schweden führend im Möbeldesign geworden. Die Produkte sind in vielen Haushalten überall auf der Welt zu finden. Inwiefern ist es das Ziel der Björn Borg Gruppe, in vergleichbarem Maße Trends im Bereich von Sportsbekleidung und Fashion zu setzen – und auch auf einem ähnlich globalen Level?
Henrik Bunge: Nun, das würde fantastisch sein. Wir glauben, dass unsere Marke über das Potenzial verfügt in der Zukunft ein Global Player zu werden. Trotzdem konzentrieren wir uns darauf, weiter in Nordeuropa voranzukommen. Ich denke uns an diesem Punkt mit einer solch ikonischen Marke wie IKEA zu vergleichen, wäre ein wenig zu viel des Guten – obwohl ich ein Mensch mit Ambitionen bin.
„Das Filialgeschäft ist nicht primär ein Platz für Transaktionen. Es ist vielmehr ein Platz für Erfahrungen.“ Henrik Bunge
Wirtschaftsforum: Neben dem Online-Shop, betreibt die Björn Borg Gruppe in vielen Ländern Filialgeschäfte. Was kann der Einzelhandel vor Ort, was Online-Shops nicht können?
Henrik Bunge: Der größte Vorteil der Filialen ist die Interaktion mit den Kunden. Wenn Sie jemand in Person treffen, dann können Sie einen individuellen Eindruck machen, der unter Umständen ein Leben lang anhält. Das ist im Rahmen einer Online-Erfahrung nur sehr schwer nachzustellen. Der Hauptgrund, warum Menschen überhaupt in einen Laden gehen, ist nicht etwa, um ein Produkt zu kaufen, sondern um jemanden zu treffen. Das Produkt an sich können sie überall erwerben. Deswegen ist das Personal der Schlüssel zu einer für den Kunden inspirierenden Atmosphäre. Das Filialgeschäft ist nicht primär ein Platz für Transaktionen. Es ist vielmehr ein Platz für Erfahrungen, in dem deine Angestellten und dein Team die Zugkräfte sind, die es dir erlauben, den Verbrauchern ein gewisses Extra mit auf den Weg zu geben, das es online nicht gibt.
Wirtschaftsforum: Die Björn Borg Gruppe war schon immer für ihre innovativen Ansätze bekannt, mit denen sie mit ihren Kunden kommuniziert hat. Was hat sich Ihrer Meinung nach in der Ansprache der Kunden geändert, welche Prinzipien haben die letzten Jahrzehnte überdauert?
Henrik Bunge: Eine dramatische Veränderung, die über die letzten fünf Jahre stattgefunden hat, betrifft die Aufmerksamkeitsspanne der Verbraucher. Wenn das Gesehene sie nicht interessiert, können sie sich mit nur einem Klick etwas komplett anderes anschauen. Sie warten nicht einfach darauf, dass etwas passiert. Wenn sie nicht direkt das Gefühl haben, das gefunden zu haben wonach sie suchten, dann werden sie woanders hingehen. Natürlich setzt uns das massiv unter Druck, denn wir müssen dafür sorgen, dass die Kunden auf unsere Produkte schauen, die wir ihnen verkaufen. Und das müssen wir in einer Art und Weise erreichen, dass sie nicht das Interesse verlieren. In den Anfangstagen der Björn Borg Gruppe hatte man viel mehr Zeit den Kunden anzusprechen.
„Eine dramatische Veränderung betrifft die Aufmerksamkeitsspanne der Verbraucher. Wenn das Gesehene sie nicht interessiert, können sie sich mit nur einem Klick etwas komplett anderes anschauen.“ Henrik Bunge
Wir müssen auch wissen, wie unsere Kunden ticken, um auf Höhe mit den Trends zu sein. Verbraucher heute kaufen im Vergleich zu einigen Jahren in einem komplett anderen Umfeld ein und ihr Verhalten hat sich deutlich verändert. Also muss sichergestellt werden, dass man sich mit den Kunden bewegt. Denn relevant ist man nur dort, wo sich die Kunden befinden. Und diese verschieben sich stark, vom Filialgeschäft zu Online-Shops und jetzt zu anderen Marktplätzen.
Wirtschaftsforum: Was möchte die Björn Borg Gruppe mit ihrer Marke den Kunden vermitteln und wie wichtig ist Authentizität für den Erfolg?
Henrik Bunge: Unsere Markenbotschaft ist sehr deutlich: Wir möchten Menschen inspirieren. Wir möchten jeden dazu inspirieren „mehr zu sein“, und das wollen wir durch die Produkte, die wir kreieren, und die Geschichten, die wir erzählen, erreichen. Wir sind darauf aus, eine absolut authentische Marke zu schaffen und wollen nicht nur Fassade sein. Die Welt braucht womöglich nicht mehr schwarze T-Shirts, aber sie benötigt eine Marke, die inspiriert, wenn man sie betrachtet. Dahingehend, dass jeder das Gefühl bekommt, morgen etwas besser zu sein, etwas schneller rennen kann, das tun kann, was immer er oder sie schon lange machen wollte. Ich gebe zu, dass ich wohl etwas idealistisch bin, aber wir glauben felsenfest daran.
Eine Menge von dieser Einstellung kommt von unserem Erbe mit Björn Borg, dem Tennisspieler, und seiner Fähigkeit, immer das Beste aus sich herauszuholen – nicht, weil er das größte Talent war, sondern, weil er nie aufgegeben hat. Das wollen wir nach außen kommunizieren.
„Wir möchten jeden dazu inspirieren „mehr zu sein“, und das wollen wir durch die Produkte, die wir kreieren, und die Geschichten, die wir erzählen, erreichen.“ Henrik Bunge
Wirtschaftsforum: Die Marke der Björn Borg Gruppe hat schon lange eine Identität unabhängig von dem Tennisspieler als Namensgeber. Wie wichtig ist die Person von Björn Borg selbst für das Unternehmen heute noch?
Henrik Bunge: Aus der internen Sicht spielt der Athlet Björn Borg immer noch eine große Rolle. Ich glaube, dass uns zweierlei Dinge als Firma einzigartig machen: Die Menschen, die bei uns arbeiten, einerseits und unsere Vergangenheit, unsere ikonische Geschichte, andererseits. Niemand könnte das duplizieren oder uns wegnehmen, weil Björn Borgs Geschichte unsere eigene ist und zu niemand sonst gehört.
Aus der Verbrauchersicht dagegen ist die Person Björn Borg vielleicht gar nicht so wichtig, weil die meisten Menschen unsere Produkte kaufen ohne ihn überhaupt zu kennen. Sie sind zu jung und waren nicht zugegen, um sein athletisches Können mit eigenen Augen zu sehen. Manchmal hören wir lustige Geschichten von Kindern, die sagen: „Wusstest du, dass der Unterhosen-Typ auch Tennis gespielt hat?“ Aus der Perspektive des Verbrauchers, ist die Marke Björn Borg zu großen Teilen getrennt von der Person Björn Borg.
„Ich glaube, dass uns zweierlei Dinge als Firma einzigartig machen: Die Menschen, die bei uns arbeiten, einerseits und unsere Vergangenheit, unsere ikonische Geschichte, andererseits.“ Henrik Bunge
Wirtschaftsforum: Viele bekannte Spitzensportler haben nach Karriereende damit Schwierigkeiten, ihren Namen und Erfolge als Profi in eine dauerhafte Marke zu wandeln. Was hat Björn Borg richtig gemacht, was so viele andere falsch gemacht haben?
Henrik Bunge: Wie ich das sehe, hängt alles von Menschen ab. Ich glaube, Björn Borg war in diesem Sinne glücklich, dass er das richtige Team um sich herum hatte, das die Ausdauer, den Glauben und den unbedingten Siegeswillen hatte, um ihn auch in harten Zeiten zu pushen. Sie machten aus seiner Marke etwas von Dauer und um so vieles stärker als nur seine Person oder Vergangenheit.
Wenn du ein Profisportler oder eine andere Person bist, die ein hohes Maß an Berühmtheit erreicht hat und massiver Erfolg mit deinem Namen verbunden ist, dann ist es einfach die falschen Leute zu wählen, die „Ja“ aus den falschen Gründen sagen und nur Kapital aus der eigenen harten Arbeit für die eigene Tasche schlagen möchten. Menschen, die nur an kurzfristigen Zielen interessiert sind, nicht an dauerhaften Werten. Das ist auch Björn Borg passiert, als er seine erste Firma 1984 gründete und er versuchte es nochmal mit Neugründungen 1988 und 1989. Alle drei scheiterten bis die richtigen Leute daherkamen mit einem Ansatz, der langanhaltenden Erfolg anstatt von schnellem, aber wenig nachhaltigem Profit, ermöglichte.
Wirtschaftsforum: Also ist die Geschichte der Björn Borg Gruppe auch eine darüber, keine Angst vor dem Scheitern zu haben?
Henrik Bunge: Absolut. Ich denke, dass das auf viele Leute zutrifft. Man wird häufiger scheitern, als erfolgreich sein. Aber es ist nicht das Scheitern, das jemanden definiert, sondern die Fähigkeit vorwärts zu gehen gleich was auch geschieht. Nehmen wir Björn Borgs Karriere als Tennisprofi: Schauen wir uns alle Sachen an, die er in seinen jungen Jahren durchmachte. Er hatte tausende Gründe das Tennisspielen aufzugeben. Die Leute sagten ihm, dass er niemals so gut sein würde, wie er selbst wollte. Aber er machte einfach weiter.
„Man wird häufiger scheitern, als erfolgreich sein. Aber es ist nicht das Scheitern, das jemanden definiert, sondern die Fähigkeit vorwärts zu gehen gleich was auch geschieht.“ Henrik Bunge
Das Gleiche gilt für unsere Firma: Natürlich gab es schon zahlreiche Situationen, in denen es einfacher gewesen wäre aufzugeben, die Türen abzuschließen und nach Hause zu gehen. Aber jedes Mal, wenn wir eine solche Krise hatten, haben wir zueinander gesagt: „Hey, wir kommen morgen zurück. Wir können das zum Besseren wenden!“ Darum ist es uns so ungemein wichtig, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, welches das Beste aus allen Leuten herausholt. Das ist auch der Hintergrund unserer wöchentlichen Sports Hour, wo alle Angestellten miteinander für eine Stunde trainieren: Ich verstehe, dass es etwas krass wirkt, Leute zum Trainieren zu zwingen, aber auf lange Sicht werden sie es dir danken, weil sie dadurch stärker, besser und glücklicher sind.
Interview: Julian Miller, Pictures: Björn Borg Gruppe