„Zeitarbeitsbranche als Konjunkturbarometer“

Interview mit Heiko Harms, Geschäftsführer der ACTIEF Personalmanagement GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Harms, seit wann existiert Ihr Unternehmen?

Heiko Harms: 1989 wurde die Firma als ISU Personaldienstleitungen GmbH gegründet. Im Zuge des folgenden Wachstums wurde 2006 ein erster Personaldienstleister akquiriert. Das belgische Unternehmen ACTIEF hat 2015 die Firma übernommen. 2017 wurden zwei weitere Unternehmen in die Unternehmensgruppe integriert.

Wirtschaftsforum: Wie ist ACTIEF Personalmanagement heute aufgestellt?

Heiko Harms: Wir sind als Generalist im Bereich der klassischen Zeitarbeit schwerpunktmäßig im gewerblichen und im Officebereich tätig. Mit unserer ACTIEF Personalmanagement GmbH sind wir mit 80 Geschäftsstellen deutschlandweit vertreten. Zurzeit beschäftigen wir saisonabhängig zwischen 4.500 und 5.000 Zeitarbeitnehmer und über 400 Mitarbeiter in den Geschäftsstellen und Hauptverwaltungen. 2019 betrug unser Umsatz 152 Millionen EUR. Wir sind sehr positiv in das Jahr 2020 gestartet. Corona hat uns aber einen massiven Einbruch im Bereich der produktiven, also beim Kunden beschäftigten, Zeitarbeitnehmer beschert.

Wirtschaftsforum: Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Heiko Harms: Die Zeitarbeitsbranche ist eines der oder sogar das Konjunkturbarometer der deutschen Wirtschaft. Unternehmen binden Zeitarbeitnehmer ein, um flexibel auf Auftrags- oder Konjunkturlagen reagieren zu können. In der Corona-Zeit zeigte sich eine gewisse Stabilität im Officebereich, aber eine deutlich reduzierte Nachfrage im gewerblichen Bereich. Das mussten wir durch Kurzarbeit abfedern und leider auch intern entsprechende Maßnahmen treffen. Ich bin seit 20 Jahren in diesem Unternehmen und bezeichne die Situation als die prägendste Zeit, mit weitaus größeren negativen Auswirkungen als die Krise 2008/2009. Denn diese Krise zieht sich durch alle Branchen. Seit etwa drei Monaten bemerken wir wieder steigende Nachfragen in den meisten Kundenbranchen. Was die weiteren Corona-Maßnahmen angeht, hoffe ich, dass die Regierung die Notwendigkeit sieht, den Gesundheitsschutz in Einklang mit der Wirtschaft zu bringen und etwas sensibler vorgeht.

Wirtschaftsforum: Welche Erkenntnisse gewinnen Sie aus dieser Zeit?

Heiko Harms: Es wird deutlich, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Das Sozialverhalten hat sich verändert und es ist notwendig, Arbeitsprozesse zu straffen. Wir müssen unsere Hausaufgaben im Kostenmanagement machen und dazu den Digitalisierungsprozess stärker vorantreiben. Außerdem werden wir branchenunabhängiger werden. Corona hat bewirkt, dass man sich schon früher Gedanken über Prozesse machen musste, die man sonst eher hintenangestellt hätte.

Wirtschaftsforum: Wie verlief Ihr Weg im Unternehmen, und wie sehen Sie Ihre Aufgabe als Geschäftsführer?

Heiko Harms: Ich habe 2000 als Personalberater angefangen, wurde dann Geschäftsstellen- und Gebietsleiter und bin seit 2012 als Geschäftsführer tätig. Als Geschäftsführer habe ich unter Berücksichtigung der Interessen aller Mitarbeiter*innen Entscheidungen für einen dauerhaften, wirtschaftlichen Erfolg zu treffen. Nur so können funktionierende Teams und Freude an der Arbeit gewährleistet werden.

Wirtschaftsforum: Gibt es ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Heiko Harms: Den Mitarbeiter als Menschen in den Fokus zu rücken. Schließlich fertigen wir keine Produkte, sondern bieten eine Dienstleistung an, hinter der immer eine Persönlichkeit steht. Die Wertschätzung und Anerkennung unserer Mitarbeiter spiegelt die Wertigkeit unserer Dienstleistung wider. Wir haben Verantwortung für Menschen und Familien. Darüber hinaus stehen wir unseren Kunden als zuverlässiger und kompetenter Partner zur Seite. Dieser Anspruch treibt mich seit 20 Jahren an und macht meinen Beruf zur Berufung.

Wirtschaftsforum: Erleben Sie die Wahrnehmung der Zeitarbeitsbranche in der Öffentlichkeit auch so positiv?

Heiko Harms: Leider nicht. Die Zeitarbeitnehmer machen heute gerade einmal einen Anteil von etwa 1,7% der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse aus. Dabei bieten wir eine herausragende Dienstleistung und geben täglich unser Bestes, was nicht immer einfach ist. Unsere Branche ist durch Veränderungen der letzten Jahre sehr durchreguliert. Von der Politik und in der Kommunikation auf Gewerkschaftsebene wird das nicht immer anerkannt. Meine Botschaft an die Politik und die Gewerkschaften: Macht es einfacher und transparenter, mit weniger Bürokratie. Der Mehrwert, den die Personaldienstleistung der deutschen Wirtschaft bringt und welche Bedeutung ihr als Flexibilitätsreserve der Unternehmen zukommt, muss heute und in Zukunft mehr respektiert und anerkannt werden.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema

Präzision, Kontinuität und Leidenschaft

Interview mit Linus Diener, COO der Diener AG Precision Machining

Präzision, Kontinuität und Leidenschaft

Ein Familienunternehmen auf operativer Ebene zu übernehmen und langfristig in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, ist eine Herausforderung – erst recht, wenn man sich kurzfristig flexibel in eine solche Position…

„Klein und fein – ein Kongresshaus wie die Schweiz“

Interview mit Michel Loris-Melikoff, CEO der Kongresshaus Zürich AG

„Klein und fein – ein Kongresshaus wie die Schweiz“

Auf 5.300 m2 multifunktionaler Veranstaltungsfläche finden im Kongresshaus Zürich nicht nur Tagungen, Workshops und Hauptversammlungen, sondern auch erlesene Konzerte und spannende Kultur-Events statt. Welche Veränderungen die Pandemie mit sich brachte…

„Wir können noch viel mehr!“

Interview mit Michael Schäfer Geschäftsführer und Sven Siegemund, Produktionsleiter der IAB Industrieanlagenbau Senftenberg GmbH

„Wir können noch viel mehr!“

Die IAB Industrieanlagenbau Senftenberg GmbH aus der Lausitz hat sich bisher vornehmlich in der Stahl- und Hüttenindustrie engagiert. In den nächsten Jahren will sie ihre gewachsenen Kompetenzen darüber hinaus in…

Spannendes aus der Region Karlsruhe

Analyse und Entscheidung: Zukunft gestalten mit Daten

Interview mit Dr. Sebastian Gottwalt, Head of Data Science der anacision GmbH und Rico Knapper, Geschäftsführer der PAILOT GmbH

Analyse und Entscheidung: Zukunft gestalten mit Daten

Mit einer klaren Fokussierung auf technologische Exzellenz haben sich die anacision GmbH und ihr Spin-off PAILOT GmbH zu wegweisenden Akteuren in der dynamischen KI-Landschaft entwickelt. Im Interview mit Wirtschaftsforum vermitteln…

„Alles klar, wir können losfahren!“

Interview mit Markus Bast, Managing Director und Direktor Vertrieb B2B DACH der Michelin Reifenwerke AG & Co. KGaA

„Alles klar, wir können losfahren!“

Beim Namen Michelin denken die Meisten als Erstes an hochwertige Reifen, den weltberühmten Hotel- und Restaurantführer – und das ebenso bekannte Michelin-Männchen. Inzwischen ist die gewachsene Materialkompetenz des Unternehmens jedoch…

Wohlfühlen im Schuh: Der Komfort liegt im Detail

Interview mit Franziska Seibel, Geschäftsführerin und Michael Fischer, Geschäftsführer der Josef Seibel Schuhfabrik GmbH

Wohlfühlen im Schuh: Der Komfort liegt im Detail

Um 137 Jahre am Markt zu sein, muss ein Familienunternehmen vieles richtig gemacht haben. Bei der Josef Seibel Schuhfabrik GmbH ist das der Fall. Auch wenn der Standort in Hauenstein…

Das könnte Sie auch interessieren

Gebäude erstklassig gemanagt!

Interview mit Dieter Lenuweit, Geschäftsführer der Schultz Gruppe GmbH

Gebäude erstklassig gemanagt!

Alle Leistungen des Gebäudemanagements aus einer Hand zu bieten und sich dabei um jeden Kunden persönlich zu kümmern ist die Philosophie, die die Schultz Gruppe GmbH mit Hauptsitz in Hamburg…

Zweigleisig an zwei Standorten

Interview mit Andreas Radam, Geschäftsführer der RWS Railway Service GmbH

Zweigleisig an zwei Standorten

Ein umwelt- und klimafreundlicher Verkehr ist ohne Schienenfahrzeuge undenkbar. Wenn es um deren Umbau, Inbetriebnahme und Instandhaltung geht, vertrauen namhafte Hersteller wie Alstom, Stadler, Talbot oder ODIG auf die RWS…

Der Partner für eine vernetzte Zukunft

Interview mit Pierre-Pascal Urbon, CEO und CFO der KOMSA AG und Harald Josef Ollinger Vice President Marketing/Retail & Solutions der KOMSA AG

Der Partner für eine vernetzte Zukunft

In einer zunehmend vernetzten Welt ist digitale Infrastruktur das Rückgrat, das unsere Gesellschaften, Wirtschaften und Institutionen zusammenhält. Die Distribution von Telekommunikations- und IT-Produkten hat sich im Laufe der Jahre zu…

TOP