„In schwierigen Zeiten auf Sicht fahren“

Interview mit Gerhard Harer, Geschäftsführer der Steiermarkbahn Transport und Logistik GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Harer, mit den Corona-, Supply Chain- und Energiekrisen blicken wir auf drei schwierige Jahre im Wirtschaftsleben zurück. Der Logistikbereich schien davon stets besonders betroffen!

Gerhard Harer: Das stimmt – hinzu kommen noch Klimaauswirkungen und Energiepreise, die unseren Wirtschaftssektor ebenfalls vor neue Herausforderungen stellen. Der Steiermarkbahn ging es dabei nicht anders als unseren Mitbewerbern. Die Brüche und Störungen im allgemeinen Produktionszyklus, die sich aufgrund der Pandemie ergeben haben, und die Verwerfungen in den Lieferketten schlagen sich natürlich auch auf die Logistik durch. Denn sind die Fertigungsabläufe unstetig, gilt selbiges auch für den Transport. Wir stehen heute vor deutlich komplexeren Planungsaufgaben als in der Zeit vor COVID-19. Die schwer durchschaubare gesamtwirtschaftliche Lage macht verlässliche Prognosen für das neue Jahr und darüber hinaus derweil nur schwer möglich, auch wenn generell mit einem weiteren Anwachsen der Quantität im Transport zu rechnen ist.

Zunächst fahren wir also auf Sicht. Als relativ kleines, aber entsprechend flexibles Unternehmen mit einer vergleichsweise großen, eigenen Fahrzeugflotte, einer verlässlichen Disposition, langer fachlicher Erfahrung und einem hohen Kontingent an Fachpersonal sind wir jedoch auch für derartig schwierige Zeiten gut gewappnet.

Wirtschaftsforum: Wer hat es in diesen Zeiten schwerer – die Schiene oder die Straße?

Gerhard Harer: Vor wenigen Wochen wurden aktuelle Daten zum Verkehrsaufkommen auf den österreichischen Autobahnen veröffentlicht. Hieraus ergab sich, dass der Schwerverkehr auf der Straße teils um zweistellige Prozentsätze zulegen konnte, während die Zuwachsraten auf der Schiene hingegen relativ bescheiden blieben. Wir sehen also weiterhin eine stärkere Zunahme auf der Straße, weshalb der Lkw-Transport, in Wirklichkeit der Straßentransport, als der echte Konkurrent zur Schiene zu sehen ist.

Wirtschaftsforum: Aus ökologischer Sicht klingt das nach einem Rückschritt. Was hat zu dieser Entwicklung geführt – und wie ließe sie sich korrigieren?

Gerhard Harer: Mitunter spielt hier die zunehmend schlechtere Planbarkeit hinein. Vor allem bei Ad-hoc-Aufträgen wird der Transport auf der Straße als vorteilhafter empfunden, was oftmals aber nicht stimmt. Des Weiteren treffen die enormen Preissteigerungen im Energiesegment auch uns – doch anders als der Dieselpreis, der im letzten Jahr ‘nur’ eine Verdopplung erfahren hat, stieg der Strompreis um einen viel größeren Faktor. So ist diese ‘saubere Energie’, in der immer eine der bedeutsamsten Stärken der Bahn lag, um ein Vielfaches teurer geworden als die ökologisch problematischere Alternative. Sofern sich in dieser Thematik nicht auf nationalstaatlicher oder europäischer Ebene Lösungen finden lassen, um den umweltfreundlichen Transport mit der Bahn zu unterstützen, wird sich an dieser Entwicklung kaum etwas ändern. Zusätzlich bestehen im Bahnbereich auch größere administrative Hürden im Vergleich zum Lkw-Transport: Ein Sattelzug kann mit nur einem einzigen Fahrer und demselben Fahrzeug problemlos Waren von den Niederlanden nach Griechenland transportieren. Die Bahn braucht hingegen für jedes Land spezifische Zulassungen, spezielle technische Systeme und jeweils national berechtigte Lokführer. Hier besteht akuter Handlungsbedarf, diese Anachronismen endlich zu verabschieden.

Wirtschaftsforum: Welche Weichen stellt die Steiermarkbahn gerade für die Zukunft?

Gerhard Harer: Unternehmerisch wollen wir uns auch auf lange Sicht treu bleiben: Wir engagieren uns – räumlich wie inhaltlich – nicht überall; aber dort, wo wir tätig sind, überzeugen wir durch unsere langjährige Expertise und Flexibilität, mit der wir im engen Kontakt mit unseren Kunden beständig an der weiteren Optimierung ihrer logistischen Abläufe arbeiten. Weder heute noch morgen sehen wir unsere Zukunft im Preisdumping, sondern wollen vielmehr als verlässlicher und flexibler Dienstleister auftreten. In diesem Zuge setzen wir derzeit unser Engagement bei einigen spannenden Pilotprojekten, etwa im Rahmen von Rundholzverkehren auf inneralpinen Nebenbahnen, fort. Auch bei weiteren Intermodalprojekten mit Partnern entwickeln wir unsere Dienstleistungen qualitativ konsequent weiter. Mit der Inbetriebnahme der Koralmbahn zwischen Graz und Klagenfurt, die für das Jahr 2025 angestrebt wird, sehen wir dank unserer geografischen Lage mit Sitz in der Steiermark – im Hinterland zu den oberadriatischen Häfen – perspektivisch weitere wichtige Impulse auf unser Unternehmen zukommen. Dafür werden wir gerüstet sein.

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