Es wird eine Verknappung von Gips geben

Interview mit Andreas Hübner und Carsten Ketteler, Geschäftsführer der CASEA GmbH

Wirtschaftsforum: Erzählen Sie doch bitte zunächst kurz etwas über die Entstehungsgeschichte von CASEA.

Andreas Hübner: Die Ursprünge von CASEA liegen 150 Jahre zurück – so alt ist das älteste unserer drei Werke. Seine Gründung war der Anfang der Südharzer Gipswerke. Sie gehörten bis 2009 zur Heidelberg-Cement Group und wurden dann von der REMONDIS-Gruppe übernommen. 2013 hat REMONDIS alle Gipsaktivitäten der Gruppe unter dem Namen CASEA gebündelt.

Wirtschaftsforum: Wie ist CASEA heute aufgestellt?

Carsten Ketteler: Wir betreiben drei eigene Steinbrüche, in Niedersachsen, Thüringen und Bayern. In Summe haben wir aber vier Produktionseinheiten. Die vierte befindet sich in Lünen und produziert Produkte derzeit ausschließlich aus REA Gips.

Wirtschaftsforum: Was verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung?

Carsten Ketteler: Der sogenannte REA-Gips ist Gips, der aus den Abgasen von Rauchgasentschwefelungsanlagen gewonnen wird. Dabei reagiert das in den Abgasen enthaltene Schwefeldioxid mit dem beigemengtem Kalkstein zu Gips. Zur Gipsproduktion verwenden wir aber auch viele andere Rohstoffe, synthetische, recycelte und chemische Gipse. Wir decken die gesamte Bandbreite ab. Die chemische Bezeichnung für Gips ist Calciumsulfat, eine Substanz, die in vielen Produkten vorkommt oder zugemischt wird.

Andreas Hübner: Aus den verschiedenen Rohstoffen können wir ganz unterschiedliche Abstufungen und Arten von Produkten herstellen, Halbfertigprodukte und Fertigprodukte. Auch die Anwendungsbereiche sind extrem vielseitig. Unsere größte Sparte ist die unserer Industriekunden. Diese sind sehr diversifiziert. Für sie entwickeln wir individuelle Lösungen, zum Beispiel für die Formengipse: Zur Fertigung keramischer Produkte werden diese in Formen aus Gips gegossen, etwa bei der Herstellung von Sanitärkeramik und Geschirr. Für die Landwirtschaft produzieren wir Rohstoffe für Düngemittel und für die Bauchemie zur Herstellung von Fliesenkleber.

Wirtschaftsforum: In welchen Bereichen sind Sie sonst noch aktiv?

Carsten Ketteler: Ein weiterer Bereich bei den Industriekunden ist die Lebensmittelindustrie, die spezifische Lösungen benötigt. Dafür sind wir zertifiziert. Der Rohstoff wird unter der Bezeichnung E 516 in Lebensmitteln wie Brotbackmischungen verwendet. Caliumsulfat findet man im übrigen als natürlichen Bestandteil auch im Mineralwasser. Wir stellen auch Gipse für die Dentalindustrie her, mit dem Zahnmodelle für die Anpassung von Kronen, Brücken und auch Zahnspangen hergestellt werden. Unsere zweite Sparte ist Calciumsulfat Fließestrich. Hier wird unser Gips als Bindemittel eingesetzt. Im Bau kann durch die Mischung von Calciumsulfat mit Sand der Estrich erstellt werden.

Andreas Hübner: Für die die dritte Sparte, den Baufertigbereich, haben wir in unserem Sortiment auch Standardprodukte. Dabei handelt es sich um Gipsprodukte zum Spachteln und Verputzen. In der Regel werden unsere Produkte weiterverarbeitet und kommen unter dem Label Dritter in den Markt. Bei unseren Baufertigprodukten werden aber für die Baustellen bei den losen Produkten Silos genutzt, die unsere Marke tragen oder sind in Säcken verpackt, die man beim Baustofffachhandel findet. Den größten Teil der Gipsindustrie machen übrigens Gipsplatten aus. Hier sind wir als Zulieferer tätig.

Wirtschaftsforum: Wie groß ist überhaupt der Bedarf an Gips?

Carsten Ketteler: In Deutschland liegt er bei rund zehn Millionen t pro Jahr, davon werden ungefähr sechs Millionen t durch REA-Gips abgedeckt. Durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung wird aber auf diesem Weg bald kein Gips mehr zur Verfügung stehen. Der Einbruch ist heute schon spürbar. Durch die warmen Winter und starken Winde ist der Anteil an Windenergie sehr hoch. Gaskraftwerke werden zunehmend als flexibler Puffer eingesetzt. Die erhöhte Produktion erneuerbarer Energien führt also zu einem geringeren Bedarf an der Energieerzeugung in Kohlekraftwerken und damit zu einer Verknappung von REA-Gips.

Andreas Hübner: Dazu kommt ein politisches Problem. Einerseits möchte jeder moderne Wohnungen haben, was einen steigenden Bedarf an Gips erzeugt. Andererseits gibt es eine Verknappung und Restriktionen gegen den Abbau von Naturgips. Naturschutz ist wichtig und die Politik setzt entsprechend ihre Maßstäbe. Der Import wäre eine Alternative, aber auch er wäre umweltpolitisch nicht korrekt, da durch den Transport zusätzliche CO2-Abgase entstünden. Für diese Problematik gibt es derzeit keine Lösung.

Wirtschaftsforum: Wie sehr treffen die Folgen Ihr Unternehmen bereits?

Carsten Ketteler: Derzeit geht es der Bauindustrie noch gut. Durch die ersten Verknappungen ist die Nachfrage nach unseren Produkten hoch; sie boomt sogar.

Wirtschaftsforum: Wie wird sich CASEA für die Zukunft aufstellen, um die Folgen dieser Entwicklung abzufangen?

Andreas Hübner: Da wir von einer zunehmenden Verknappung ausgehen, ist unser Bestreben die Rohstoffsicherung. Sie wäre möglich durch Abbau von Naturgips, doch auch hier gibt es Beschränkungen. Derzeit arbeiten wir an einem regionalen Projekt, mit dem Ziel, die Ressourcen optimal zu nutzen. Wir wollen für alle Eventualitäten gerüstet sein.

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