Mit klaren Entscheidungen und Mut zum Risiko etwas bewirken
Interview mit Dr. Eugenie Stantchev, Gesellschafterin der Siloco GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Frau Dr. Stantchev, Sie sind mit über 80 Jahren immer noch als Gesellschafterin bei SILOCO aktiv. Inwiefern können oder möchten Sie nicht ohne das Unternehmen sein?
Eugenie Stantchev: Das Unternehmen ist so wie mein drittes Kind. Und ohne seine Kinder will man selbstverständlich niemals sein! Aber ich kann es nicht leugnen: Mittlerweile werde ich dauernd gefragt, wann ich aktiv aufhöre und ich habe mich entschieden, dass es in diesem Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag von SILOCO sein wird. Ich werde auch mein Büro an unserem Firmensitz komplett auflösen. Ich brauche diesen radikalen Schnitt, um abgeben zu können und nicht ständig noch neugierig nachzuhaken, welche unternehmerischen einzelnen Schritte als nächste geplant sind. Es wird mir schwer fallen und ich werde SILOCO vermissen – ich weiß aber auch, dass dort ein tolles Team am Ruder ist und ich mich ganz beruhigt zurückziehen kann.

„Das Unternehmen ist so wie mein drittes Kind. Und ohne seine Kinder will man selbstverständlich niemals sein!" Eugenie Stantchev
Wirtschaftsforum: SILOCO feiert in diesem Jahr sein hundertjähriges Jubiläum, Sie selbst sind seit Anfang der 1970er-Jahre dabei. Was sind die größten Veränderungen, die SILOCO Ihrer Meinung nach geprägt haben?
Eugenie Stantchev: Als ich bei SILOCO einstieg, habe ich das Unternehmen zusammen mit meinem Vetter geführt – wir haben es jedoch nicht geschafft, gemeinsame Ziele zu entwickeln und anzugehen. Er ist schlussendlich aus dem Unternehmen ausgeschieden und ich hatte die Mehrheit. Damit konnte ich klare Entscheidungen treffen, Mut zum Risiko beweisen und etwas bewirken.
Die Wende in Deutschland Anfang der 1990er-Jahre hat SILOCO einen entscheidenden Push gegeben, denn der Baubedarf im Osten des Landes war immens. In dieser Zeit haben wir neben der Ausrüstung für Bauvorhaben einen weiteren Geschäftszweig für uns entdeckt, der heute sogar größer ist als unser Baumaschinen-Sortiment: die Container. Wir beliefern damit Schulen, Kindergärten oder Flüchtlingsheime. Ob in der Industrie oder der Landwirtschaft – man kann sie überall einsetzen und der Bedarf ist immens. All das zusammengefasst hat SILOCO in den vergangenen Jahrzehnten geprägt.
Wirtschaftsforum: Fachkräftemangel ist ein viel zitiertes Stichwort, zumal mit der Generation Z besonders anspruchsvolle Arbeitnehmer auf den Markt drängen. Wie sichern beziehungsweise gewinnen Sie bei SILOCO Mitarbeiter?
Eugenie Stantchev: Das ist tatsächlich nicht so leicht. Wir gehen verschiedene Wege, schalten Jobanzeigen überwiegend online und präsentieren uns auf Job- und anderen Messen. Hier kommt man mit potenziellen Mitarbeitern direkt in Kontakt und kann sich und das Unternehmern dadurch viel besser darstellen und greifbar machen. Es ist heutzutage wichtig, seinen Mitarbeitern mehr zu bieten als nur ein geregeltes Einkommen.
Das Image des Unternehmens und das Klima spielen eine große Rolle – beides ist bei uns zum Glück sehr gut. Und darauf bin ich stolz. Es ist wichtig, auf Einzelne einzugehen, und sei es nur, wenn es darum geht, ob lieber ein Stehpult anstelle eines Schreibtisches gewünscht wird. Wir denken uns jedes Jahr etwas Besonderes zur Weihnachtsfeier aus oder ehren Menschen für eine lange Betriebszugehörigkeit. Von solchen kleineren Qualitätsmaßnahmen abgesehen, ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen. Modernität und Innovation, zum Beispiel Digitalisierung, spielen eine große Rolle und sollten fest in der Firmenphilosophie verankert sein. Auf solche Faktoren schauen die guten Mitarbeiter von morgen.
„Es ist heutzutage wichtig, seinen Mitarbeitern mehr zu bieten als nur ein geregeltes Einkommen. Das Image des Unternehmens und das Klima spielen eine große Rolle .“ Eugenie Stantchev

Wirtschaftsforum: Werfen wir einen Blick auf die Baubranche, die aktuell boomt. Aufträge werden scheinbar im Akkord bewältigt. Wo bleibt die Qualität? Bauen wir heutzutage schlechter als in der Vergangenheit?
Eugenie Stantchev: Wir sind ja nicht selbst am Bau beteiligt, sondern beliefern Bau-Unternehmen lediglich mit Maschinen. Was die Anforderungen an Baumaschinen angeht, insbesondere in puncto Sicherheit, hat sich vieles verändert. Es wird stark auf Qualität geachtet. Dazu, wie ein Bauunternehmer damit umgeht, will ich mir kein Urteil anmaßen. Aus persönlicher Erfahrung kann ich nur von Containern, dem so genannten ,Fliegenden Festbau‘, sprechen. Hier werden wir regelmäßig in Sachen Brandschutz, Wärmeschutz, Lärmschutz und genauso streng wie der Festbau geprüft. Aber davor haben wir keine Angst, weil wir wissen, dass wir gut sind.
Wirtschaftsforum: Neben Ihrer Präsenz bei SILOCO scheinen Sie ein Faible für Theater zu haben. Welches Stück ist für einen Unternehmer besonders interessant?
Eugenie Stantchev: Oh, da gibt es einige. Zum Beispiel Shakespeares’ ,Kaufmann von Venedig’ oder ,Die heilige Johanna der Schlachthöfe’ von Brecht – in beiden Stücken wird der Unternehmer als habgierig, materialistisch und schlecht für die Gesellschaft beschrieben. Ich finde Geschichten wie ,Die Fugger’ oder Thomas Manns ,Die Buddenbrooks’ treffender, die mir gezeigt haben, wie wichtig und vorausschauend es ist, Anteile vom Gewinn für schlechte Zeiten stehen zu lassen und dass Investitionen ein Muss für alle sind, die in die erste Liga wollen.
Interview: Markus Büssecker | Fotos: Jörn Braasch, Anek Artwork