Finanzwelt erklärt: Steuerzahlergedenktag mit neuem Negativ-Rekord

Teil 26: Steuerzahlergedenktag mit neuem Negativ-Rekord
Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, laut dem Bund der Steuerzahler bleiben für den Arbeitnehmer in diesem Jahr 45,7 Cent von jedem verdienten Euro. Wie ordnen Sie diese Zahl ein?
Benjamin Mudlack: Das Thema wird natürlich immer ziemlich hoch aufgehängt und medial immens ausgeschlachtet. Wir erhalten vom Staat schließlich enorme Gegenleistungen. Viele Ausgaben sind von hoher Bedeutung und von daher sollte man diese Causa relativieren. Des Weiteren sprechen wir an der Stelle nicht über die reine Steuerlast, sondern auch zum Beispiel über die Sozialabgaben, GEZ-Gebühren und sonstige Steuern wie die Mehrwertsteuer und Erbschaftsteuer. Der hier zitierte „Steuerzahlergedenktag“ hat sich über die Jahre ordentlich nach hinten verschoben. So war er noch im Jahr 1960 am 27. Mai und dieses Jahr ist der Tag, an welchem der Steuerzahler „für sich arbeitet“, am 18 Juli gewesen. Das ist ein neuer Negativ-Rekord. Mein Problem sind nicht die Abgaben als solche, sondern die Mittelverwendung und Mittelverschwendung. Die Steuereinnahmen des Staates sprudeln wie nie zuvor und trotzdem steigt die Abgabenlast des einzelnen Bürgers.

„So lange niemand haftbar gemacht wird und die Verantwortung für Fehlentscheidungen tragen muss, werden staatliche Projekte weiterhin nicht optimal verwaltet.“ Benjamin Mudlack
Große staatliche Projekte wie der Großflughafen in Berlin als absolutes Paradebeispiel, enden als Milliardengrab und wirken sich negativ auf die Steuermoral aus. So lange da niemand haftbar gemacht wird und die Verantwortung für Fehlentscheidungen tragen muss, werden staatliche Projekte weiterhin nicht optimal verwaltet. Dessen bin ich mir leider ziemlich sicher. Für mich wäre es ein smarter Gedanke, exakt zu wissen, wofür meine Steuern verwendet wurden. Das wird sicher ein frommer und schwer umzusetzender Wunsch bleiben, wäre aber sehr förderlich, um die Steuermoral in unserem Land zu verbessern.
Wirtschaftsforum: Experten beklagen heimliche Steuererhöhungen. Was wir denn da genau verheimlicht?
Benjamin Mudlack: Sie sprechen die sogenannte „kalte Progression“ an. Das ist in der Tat eine Angelegenheit, die immer wieder von den politischen Parteien auf die Agenda genommen wird. Leider jedoch bislang nur im Wahlkampf oder als lose Ankündigung. Anpassungen hat es noch nicht gegeben. Die kalte Progression bezieht sich auf eine steuerliche Mehrbelastung von Lohnerhöhungen. Je höher das Einkommen, desto höher ist auch der persönliche Steuersatz. Lassen Sie uns das an einem Beispiel kurz verdeutlichen. Das zu versteuernde Jahreseinkommen eines Arbeitnehmers stieg von 2010 bis 2018 von 35.000 EUR auf 43.750 EUR. Wir sprechen exakt von einer 25%igen Steigerung des Bruttoeinkommens. Der prozentuale Steuersatz steigt im gleichen Zeitraum, bedingt durch unser progressives Steuersystem, von 21,9% auf 24,2%. Durch die Veränderung des Steuersatzes unseres Beispielarbeitnehmers erfährt dieser nun die von Ihnen zitierte „heimliche Steuerhöhung“ von knapp 1.000 EUR. Es ist mir ein Rätsel, warum hier in der Steuergesetzgebung seit Jahren nichts passiert, obwohl es im Wahlkampf immer angekündigt wird.
Wirtschaftsforum: Der Bund der Steuerzahler kommt zudem zu dem Ergebnis, dass die Steuerlast in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch ist. Warum müssen wir so ein schweres Steuerpaket schultern?
Benjamin Mudlack: Wir haben einen großen, teuren Staatsapparat und leben in einem Sozialstaat, genießen diese Vorteile der Absicherung und das kostet natürlich auch dementsprechend. Betrachten wir den internationalen Vergleich, so liegen wir auf Grundlage der Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf Basis eines Doppelverdiener-Haushaltes mit zwei Kindern auf Rang zwei knapp hinter Griechenland. Von daher sind die Forderungen des Bundes der Steuerzahler nach Steuersenkungen durchaus berechtigt. Die Große Koalition hat auch tatsächlich angekündigt in dieser bis 2022 andauernden Legislaturperiode, den Grundfreibetrag zu erhöhen und auch die schon angesprochene kalte Progression abzubauen. Wir werden sehen, ob dem dann auch tatsächlich so ist.
Ein weiterer Punkt, der durch den Bund der Steuerzahler angesprochen wurde, betrifft eine Entlastung beim Thema Wohnen. Seit 2006 wurde in vielen Bundesländern die Grunderwerbssteuer von 3,5% auf teilweise bis zu 6,5% angehoben. Diese Mehrkosten werden auf Mieter oder Endkäufer umgelegt und verteuern natürlich die Kosten, gerade wenn ein Objekt mehrfach durchgehandelt wird. Wenn man günstigen Wohnraum schaffen möchte, ist hier die erste politische Stellschraube. Hier hat der Staat durch den anziehenden Immobilienmarkt die letzten Jahre prächtige Einnahmen auf Kosten der Mieter und Endkäufer generiert. An der Stelle sind unsere politischen Kräfte nun am Zug. Und ich hoffe sehr, dass sich etwas bewegt.