Finanzwelt erklärt: Crashpropheten verdienen prächtig am Spiel mit der Angst

Teil 17: Crashpropheten verdienen prächtig am Spiel mit der Angst

Wirtschaftsforum: Herr Mudlack, wenn der Begriff Börsencrash fällt, geht die Welt in Deckung. Ist die Angst vor dem Börsenkrach berechtigt oder wird hier aus einer Mücke ein Elefant gemacht?

Benjamin Mudlack: Angst ist an der Börse und im Investmentbereich ein ganz schlechter Ratgeber. Man sollte eher von einem Szenario sprechen, welches man jederzeit „auf dem Schirm“ haben sollte und gegen das man sich absichern sollte. Wir haben in der Wirtschaft permanent ein Wechselspiel aus Akkumulation und Krise. Das ist vollkommen normal und somit wird es auch immer wieder zu stärkeren Korrekturen oder Crashs kommen. Rein sachlich korrigiert ein Crash eine zumeist lang anhaltende Fehlentwicklung/Übertreibung. Wenn wir in der Geschichte von einem Börsenkrach sprechen, dann landen wir automatisch beim 24. Oktober 1929, dem sogenannten schwarzen Donnerstag (in Europa war es der Folgetag und somit der schwarze Freitag).

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Rein sachlich korrigiert ein Crash eine zumeist lang anhaltende Fehlentwicklung/Übertreibung.“ Benjamin Mudlack

Der bekannte amerikanische Leitindex Dow Jones war von 1923 von circa 100 Punkten auf über 330 Punkte im Jahr 1929 angestiegen. Getrieben war dieser Anstieg nicht zuletzt von kreditfinanzierten Aktienkäufen. Man hatte es mit einer ungesunden Entwicklung und somit mit einer Spekulationsblase zu tun. Die amerikanische Notenbank reduzierte die Geldmenge, die Krisenlage verschärfte sich und mündete in dem, was wir heute in den Geschichtsbüchern als Phase der großen Depression bezeichnen. Der Dow Jones erreichte erst fast drei Jahre später, im Sommer 1932 bei 41 Punkten seinen Tiefpunkt.

Wer am Hochpunkt den Aktienmarkt gekauft hatte, musste über 20 Jahre bis Mitte der 1950er-Jahre warten, um diesen Dow Jones Stand wieder zu sehen. Legen wir eine Inflation von 2% pro Jahr zugrunde, so hätte ein Anleger der 1929 am Hochpunkt mit 10.000 US-Dollar eingestiegen wäre, im Jahr 1955 noch eine Kaufkraft von circa 6.200 USD. Die Nerven und Geduld eine derartige Entwicklung über 25 Jahre auszuhalten und auszusitzen hat kein Privatanleger.

Genau dieses extreme Beispiel ist mein Kritikpunkt an einer Buy- and Hold-Strategie. Auch aktuell haben wir historische Höchststände an den Aktienmärkten. Das sind ungeachtet der geopolitischen Lage definitiv keine Kaufkurse. Auf diesem Niveau halte ich es für fahrlässig, sich einfach Aktien zu kaufen und ohne Absicherung liegen zu lassen. Diese Extrem-Szenarien gilt es zu berücksichtigen, gerade, wenn es um das Thema Altersvorsorge geht. Niemand kann und wird Ihnen garantieren, dass sich die Geschehnisse von damals in ähnlicher Form nicht wiederholen könnten.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Auch aktuell haben wir historische Höchststände an den Aktienmärkten. Das sind ungeachtet der geopolitischen Lage definitiv keine Kaufkurse.“ Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Propheten verkünden alles Mögliche, darunter auch den Börsencrash. Wer sind die sogenannten Crashpropheten und was hat es mit ihren düsteren Visionen auf sich?

Benjamin Mudlack: In erster Linie sind diese Herrschaften Geschäftsleute, das darf man nicht vergessen. Crashpropheten verdienen prächtig am Spiel mit der Angst. Sie schaffen im Rahmen einer Crashprophezeiung ein Problem, welches Angst schürt und liefern dann direkt im zweiten Schritt im Rahmen einer Dienstleistung eine Lösung. Die Dienstleistungen sind dann zum Beispiel Seminare, Bücher, Börsenbriefe, Online-Kurse oder persönliche Coachings. Ein aus monetärer Sicht durchaus sinnvolles und einträgliches Geschäftsmodell. Die Branche hat aktuell Hochkonjunktur und insbesondere durch die neuen Medien erreichen uns permanent neue Angebote und Prognosen.

Man ist gut beraten genau zu prüfen von wem man eine Dienstleistung in Anspruch nimmt. Idealerweise verfügt derjenige über einen sogenannten Track Record, also einen Nachweis über einen längeren Zeitraum, der belegt, dass derjenige auch einigermaßen unbeschadet rückläufige Aktienmärkte überstanden oder gar davon massiv profitiert hat.

Benjamin Mudlack, Bankkaufmann und Dipl. Wirtschaftsinformatiker
„Jeder Crash an den Aktienmärkten ist für mich eine geniale Chance, um sich á la Warren Buffett an soliden Unternehmen zu fairen Preisen zu beteiligen.“ Benjamin Mudlack

Wirtschaftsforum: Sie selbst sind schon über zehn Jahre auf dem Parkett unterwegs. Was halten Sie von den Untergangszenarien an der Börse und wie sollten unerfahrene Anleger damit umgehen?

Benjamin Mudlack: Die Antwort ist recht einfach: Jeder Crash an den Aktienmärkten ist für mich eine geniale Chance, um sich á la Warren Buffett an soliden Unternehmen zu fairen Preisen zu beteiligen. Im Idealfall sind die Unternehmen sogar unter Wert zu kaufen.

Somit halte ich von Untergangsszenarien überhaupt nichts. Untergangsszenarien machen den Menschen Angst. Anstatt Angst zu haben, braucht man den Mut, um nach einem Krach günstig zu kaufen. Sie werden nahezu zu jedem Zeitpunkt eine Anlageklasse finden, die kaufenswert ist. Beispielhaft ist die Entwicklung im Ölpreis. Der Markt verlor zwischen Mitte 2014 bis August 2016 drei Viertel an Wert (Rücklauf von über 100 USD auf fast 25 USD). Wer im Bereich von 30 USD den Mut hatte zu investieren, hat sein Kapital bei einem Ölpreis von etwas über 60 USD (US-Öl) heute verdoppelt.

Das Kapital rotiert innerhalb der verschiedenen Anlageklassen, Währungen, Regionen und Branchen. Somit haben wir permanent Märkte, die überbewertet, aber auch Märkte, die unterbewertet sind. Man muss schauen und analysieren, ob sich der jeweilige Markt eher auf der Unterseite (Kaufkurse) oder auf der Oberseite (Verkaufskurse) befindet. „Smart Money“ agiert antizyklisch und kauft, wenn die Amateure verkaufen und verkauft, wenn die Privatanleger kaufen.

Nochmals: Wer nach einem Absturz die Nerven hat, den jeweiligen Markt zu kaufen, der wird am Ende als Gewinner dastehen und braucht sich um sein Vermögen im Ruhestand keine Sorgen zu machen.

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